Die Bundesarbeitsministerin will den “Sack zumachen“: Von der Leyen glaubt an ein baldiges Ende des Streits um die Hartz-IV-Reform.
Berlin. Bundesarbeitsminister von der Leyen rechnet mit einer baldigen Einigung im Streit um die Hartz-IV-Reform. "Ich bin zuversichtlich, dass wir noch im Januar den Sack zumachen können und der Bundesrat das Gesetz Anfang Februar endgültig beschließen wird", sagte sie der "Saarbrücker Zeitung". Sie bekräftigte ihre Kompromissbereitschaft beim geplanten Bildungspaket, warnte die SPD aber vor überzogenen Forderungen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Hartz-IV-Reform bis zum Jahreswechsel verlangt – diese war aber im Dezember im Bundesrat gescheitert. SPD und Grüne fordern erhebliche Nachbesserungen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe sucht nun nach einem Kompromiss. Nach den bisherigen Plänen soll der Regelsatz um 5 Euro auf 364 Euro steigen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und das Erwerbslosen Forum Deutschland raten Hartz-IV-Empfängern, Widerspruch gegen die Bescheide einzureichen, in denen es um Leistungen seit dem 1. Januar geht.
Es gebe Zweifel, dass die Rechtsgrundlage seit dem 1. Januar noch verfassungskonform sei, heißt es auf der Internet-Seite des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Auch das Erwerbslosen Forum Deutschland erklärte, die Bundesagentur für Arbeit (BA) versende Bescheide auf der Grundlage des bisherigen Rechts, ohne sie für vorläufig zu erklären. Daher gebe es große verfassungsrechtliche Bedenken. Die BA hatte dagegen appelliert, auf Widerspruch zu verzichten. Die erhöhten Leistungen würden rückwirkend gezahlt, wenn die Reform durch sei.
Angesichts des politischen Streits um die Reform erklärte von der Leyen, sie werde keine Tür zuschlagen. Man müsse jedoch auch im Auge behalten, dass das Bildungspaket für die derzeit eingeplanten 2,3 Millionen Kinder bereits 740 Millionen Euro an Steuergeldern koste. "Es geht nicht, dass wir den Kreis beliebig immer weiter ziehen, ohne zu sagen, woher die Mittel dafür kommen sollen", sagte sie. Die SPD hatte zuletzt gefordert, die Bildungsförderung auch auf volljährige Kinder in Ausbildung auszuweiten.
CSU-Chef Horst Seehofer sagte der "Bild am Sonntag": "Beim Bildungspaket können wir darüber reden, ob der Kreis der Empfänger ausgeweitet wird und wie man das möglichst unbürokratisch gestaltet. Sinnvoll sind darüber hinaus treffsichere Lösungen bei Mindestlöhnen in bestimmten Branchen, vor allem bei der Zeitarbeit." Seehofer hält Mindestlöhne auch wegen der Öffnung des Arbeitsmarkts für osteuropäische EU-Bürger am 1. Mai für nötig. Eine stärkere Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze lehnte er ab.
Die SPD-Verhandlungsführerin in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Manuela Schwesig, hält das Entgegenkommen der Bundesregierung für zu wenig. Sie vermutet einen "Versuch, mit Punkten und Teilaspekten zu schachern, an denen die Regierung sowieso nicht vorbei kommt“. "Frau von der Leyen versucht, auf Zeit zu spielen“, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern "Spiegel Online".
Der neue Präsident der Kultusministerkonferenz, Bernd Althusmann (CDU), unterstützte die SPD-Forderung, mehr Sozialpädagogen an die Schulen zu bringen. So könnte es gelingen, herkunftsbedingte Unterschiede in den Bildungsbiografien auszugleichen, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" (Montag). BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt beklagte, es würden milliardenschwere Hilfen für Jugendliche ausgegeben, ohne dass es eine erkennbare Strategie gebe. Zu viele Jugendliche seien nicht ausbildungsreif oder verließen die Schule ohne Hauptschulabschluss.
Die BA rechnet mit der praktischen Umsetzung der Hartz-IV- Regelsatz-Erhöhung Anfang März. Dazu müsse die Reform am 11. Februar beschlossen werden, sagte BA-Vorstandsmitglied Alt der dpa. Die Reform könnte sich weiter verzögern: Schwesig beklagte, dass von der Leyen die statistischen Grundlagen für die Nachrechnung der vorgesehenen Regelsätze nicht früh genug vorlege.
Die Ministerin hatte der Arbeitsgruppe geschrieben, dass bis zum 11. Februar nicht sämtliche von SPD und Grünen geforderten Statistiken erstellt werden könnten. Den Verzögerungsvorwurf nannte sie deshalb „absurd“. Wichtige Einzelstatistiken zu der für die Berechnung maßgeblichen Referenzgruppe der niedrigsten Einkommen will die Ministerin nach eigenen Angaben aber bis Ende Januar vorlegen. (dpa)