Die Arbeitsministerin der CDU will Spitzengespräche mit Opposition und Ländern über die weitere Ausgestaltung der sozialen Sicherung.
Hamburg. Nach wochenlangen Debatten hat die Bundesregierung die Hartz-IV-Reform auf den Weg gebracht. Um fünf Euro soll der Regelsatz für Langzeitarbeitslose auf 364 Euro monatlich steigen. Die gut 1,7 Millionen Kinder der Hartz-IV-Bezieher sollen von mehr Bildungsförderung profitieren. Ungeachtet des Appells von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Reform nicht zu blockieren, stellte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel umgehend quer. Die SPD werde die vorgelegten Pläne in Bundesrat und Bundestag ablehnen, kündigte er an. "Wir wollen bessere Bildung für alle Kinder."
Damit ist eine Kompromisssuche im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag vorgezeichnet. Von der Leyen sagte, die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist bis Jahresende müsse eingehalten werden. "Ich werde deshalb die Oppositionsparteien, aber auch die Länder einladen", kündigte die Ministerin an. "Ich habe jetzt vorgelegt - und deshalb muss jetzt der- oder diejenige, die in Teilen oder in Gänze Kritik üben, vorlegen, was ihre Vorschläge sind."
Von der Leyen verteidigte die Erhöhung des Regelsatzes um fünf Euro und die Steigerung des möglichen Hinzuverdienstes von Hartz-IV-Empfängern um 20 Euro. "Ich weiß, das ist knapp, aber Hartz IV ist kein Dauerzustand, sondern es muss ein Übergang sein", sagte sie. "Man muss es auch denjenigen erklären, die jeden Tag ihr Einkommen selber verdienen und auch jeden Euro umdrehen müssen."
Die Ministerin hob die weiteren Verbesserungen für die Kinder hervor. Erstmals gebe es die Chance, konkret zu Beginn des Lebenslaufs eines Kindes zu investieren - statt später mit Fehlentwicklungen konfrontiert zu werden. "Es kann nicht die Defizite des Bildungssystems außer Kraft setzen", räumte sie ein. Doch sei nun zentral, dass die Teilnahme an Angeboten für Kinder nicht scheitere an der knappen Lebenssituation der Eltern. Sichergestellt werden solle, dass die betroffenen Kinder beim warmen Schulmittagessen teilnehmen, Lernförderung bekommen, bei Schulausflügen mitmachen und nachmittags Sportverbände oder Musikschulen besuchen können.
Gutscheine für die Bildungs- und Förderangebote sollen durch die Jobcenter oder die Kommunen ausgegeben werden. Wenn Kommunen auf eigenen Wunsch anstelle der Jobcenter die Umsetzung des Bildungspakets übernehmen, will der Bund die Verwaltungskosten bezahlen.
Auch in unionsregierten Ländern wird die Umsetzbarkeit der Beschlüsse aber erst noch kritisch geprüft. "Ich begrüße zum einen, dass es erstmals Regelsätze für Kinder geben wird, die an ihrem tatsächlichen Bedarf ausgerichtet sind und nicht mehr durch einen Abschlag vom Erwachsenenregelsatz zustande kommen", sagte Hamburgs Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) dem Hamburger Abendblatt. Allerdings behalte sich die Hansestadt vor, die neuen Regelungen zu prüfen. "Ich begrüße aber vor allem, dass über die Hartz-IV-Leistungen gezielt Ressourcen für die Förderung von Kindern zur Verfügung gestellt werden."
Das größte Risiko von Kindern aus armen, bildungsfernen Familien sei nicht der materielle Notstand, sondern die hohe Wahrscheinlichkeit brüchiger Bildungsverläufe, schlechterer Gesundheit und geringerer sozialer und kultureller Teilhabe. Kinder gezielt zu fördern und dafür Ressourcen bereitzustellen sei ein richtiger und wichtiger Schritt, sagte Wersich.
Deutlich kritischer äußerte sich der amtierende Hamburger Bischof der Nordelbischen Kirche, Propst Jürgen F. Bollmann: "Leider ändert sich mit der Neuregelung der Hartz-IV-Sätze nur wenig für die betroffenen Menschen." Jedes vierte Kind in Hamburg lebe in Armut. Mit diesem Skandal dürfe sich die Gesellschaft nicht abfinden. "Die Gutscheine für Kinder sind zwar gut gemeint. Sinnvoller aber wäre es, Kindergärten und Schulen besser auszustatten, gerade in den ärmsten Stadtteilen. Auch gibt es zu wenig bezahlbaren Wohnraum für größere Familien."
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, vermisste ein tragfähiges Konzept zur Armutsbekämpfung. Die kommunalen Spitzenverbände lehnten zusätzliche Belastung der Städte und Gemeinden ab.