Parteivize Manuela Schwesig befürchtet Tricksereien bei Neuberechnung der Sätze. Thomas Oppermann attackiert Christian Lindner.

Berlin. Die Sozialdemokraten knüpfen ihr Ja zur Neuregelung der Hartz-IV-Regelsätze im Bundesrat an Bedingungen. Parteivize Manuela Schwesig sagte am Sonnabend: “Unsere Zustimmung wird es nur dann geben, wenn der Regelsatz wirklich transparent und nachvollziehbar berechnet ist.“ Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Hartz-IV-Reform am Montag in die Ressortabstimmung geben - allerdings ohne konkrete Zahlen. Eine Woche später soll erst feststehen, ob die 6,8 Millionen Langzeitarbeitslosen künftig mehr Geld bekommen, da die notwendigen Statistiken noch ausgewertet werden.

Die Sozialministerin aus Mecklenburg-Vorpommern warf der Bundesregierung Tricksereien bei der Neuberechnung der Regelsätze vor. “Ich habe die Befürchtung, dass die Bundesregierung den Regelsatz kleinrechnet, um Hartz IV nur nach Kassenlage zu gewähren“, sagte Schwesig. Sie gehe davon aus, dass die Regelsätze für Kinder steigen müssten. “Allein schon, weil der Grundbedarf durch die Preissteigerungen der letzten Jahre gestiegen ist.“ Dazu komme, dass bisher bestimmte Leistungen nicht in den Berechnungen enthalten seien, wie etwa Bildung.

Die Hartz-IV-Sätze müssen bis Jahresende neu berechnet werden, weil sie verfassungswidrig sind. Der Reform muss der Bundesrat zustimmen. Da Schwarz-Gelb dort keine Mehrheit hat, ist die Bundesregierung auf die Zustimmung der Sozialdemokraten angewiesen.

VERBÄNDE WOLLEN MEHR ALS NAMENSKOSMETIK

Von der Leyens Ministerium sieht noch weitere Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Reformpläne. Insbesondere die “modellhafte Einführung“ der von der Ministerin für Mitte 2011 angekündigten Bildungskarte wird in einem internen Vermerk als “illusorisch“ bezeichnet, wie das Nachrichtenmagazin “Spiegel“ berichtet. Das Bildungspaket soll Kindern aus Hartz-IV-Familien unter anderem Zugang zu Nachhilfe und Musikunterricht sowie Zuschüsse für Schulessen verschaffen. Mittelfristig strebt die Ministerin an, diese Sachleistungen über eine elektronische Bildungskarte für Hartz-IV-Kinder abzurechnen.

In einem Papier des Ministeriums heißt es allerdings, dass der dafür vorgesehene Start im Juli 2011 kaum zu schaffen sei. So seien wegen des Vergaberechts bei der Ausschreibung längere Fristen einzuhalten. Auch die Abrechnung der Bildungsleistungen zwischen Jobcentern und Schulen bereitet offenbar Probleme. Weil weder die Gutscheine noch das Abrechnungsverfahren bei Vereinen und anderen Einrichtungen bislang bekannt seien, bestehe die Gefahr, dass im Januar 2011 bereits genehmigte Leistungen nicht erbracht werden könnten. Die Empfehlung der Fachabteilung, in der Übergangszeit den Bedarf über Geldleistungen zu regeln, wurde von der Ministeriumsleitung zunächst abgelehnt.

Als “Kampfansage“ an ältere Arbeitnehmer kritisierte die SPD derweil die Forderung der Liberalen, auch das Arbeitslosengeld I zu reformieren. FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte, die Bezugsdauer für ältere Arbeitslose deutlich zu senken. So sollen Erwerbslose über 50 Jahre künftig maximal 12 bis 18 Monate ALG I beziehen. Derzeit sind es in der Spitze 24 Monate. Lindner argumentierte, eine Verkürzung spare rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr ein. Das Geld könne dann zugunsten von besseren Hinzuverdienstmöglichkeiten von Langzeitarbeitslosen umgeschichtet werden.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann widersprach: “Es ist vernünftig und sozial gerecht, die Dauer des Arbeitslosengeldes nach dem Alter zu staffeln. Die älteren Arbeitnehmer haben nicht nur länger eingezahlt, sie haben es auch schwerer, wieder einen neuen Job zu finden.“ Lindners Vorschlag zeige erneut, “dass die FDP gerne bei den sozial Schwachen spart, damit sie schamlos die eigene Klientel schonen und begünstigen kann“.