Sie fürchten Zeitverträge und lange Suche nach einem Job - trotz guter Aussichten. Denn für Akademiker herrscht beinahe Vollbeschäftigung.

Berlin/Hamburg. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind derzeit an sich ganz gut: Die Euro-Krise hat noch keine tief greifenden Spuren in den Portemonnaies der Bürger hinterlassen, die Zahl der Arbeitslosen sinkt kontinuierlich weiter, und die Unternehmen suchen mehr und mehr nach Fachkräften. Trotzdem sorgen sich die Studenten in Deutschland um ihre Zukunft - und ganz besonders die Studentinnen blicken pessimistisch auf die kommenden Jahre.

Wie das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerks herausfand, sind 48 Prozent der weiblichen Studierenden besorgt, dass ihre beruflichen Chancen in Deutschland künftig sinken könnten. Bei den männlichen Studenten liegt dieser Wert nur bei 35 Prozent. Die jungen Frauen haben dabei mehr Angst davor, dass sie sehr lange nach einem passenden Job suchen müssen (35 Prozent), und davor, nur befristete Arbeitsverträge zu bekommen (28 Prozent). Bei den jungen Männern belaufen sich diese Werte auf 25 beziehungsweise 16 Prozent.

Das hat auch die Forscher vom Allensbach-Institut überrascht: Die Sorge, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familienplanung misslingt, hat fast jede vierte Studentin - aber nur etwa jeder sechste Student. "Hier ist nach wie vor die klassische Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau vorgezeichnet", sagte Rüdiger Schulz, Projektleiter beim Allensbach-Institut. "Die jungen Männer messen den Anforderungen des Familienlebens offenbar geringere Bedeutung bei als die jungen Frauen."

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Wie Schüler und Studenten brutto für netto erhalten

Der Rat des Wissenschaftlers: Wer Optimismus für die Zukunft wecken will, muss hier ansetzen. Vor allem die Zeitverträge für Berufsanfänger sind aus Schulz' Sicht ein Problem. Die Studie reiht sich jedoch auch ein in die laufende Diskussion um den schleppenden Kita-Ausbau. Ab 1. August 2013 soll es einen Rechtsanspruch für unter Dreijährige auf einen Kindergartenplatz geben - doch Länder und Kommunen bezweifeln, dass dieses Ziel tatsächlich zu erreichen ist.

Die Sorgen vor allem junger Frauen sind auch deshalb etwas überraschend, weil die Berufsaussichten gut sind: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht die Arbeitslosigkeit von Akademikern auf einem so geringen Niveau, dass man beinahe von Vollbeschäftigung reden könne. Dabei steigt der Frauenanteil unter den berufstätigen Akademikern weiter an - allerdings langsam. Bei Sozialarbeitern (71 Prozent weiblich), Lehrern (61) und medizinischen Berufen (56) haben Frauen die höchsten Anteile. Mathematiker, Physiker (16 Prozent weiblich), Maschinenbau- (6) und Elektroingenieure (5) weisen die geringsten Frauenanteile auf.

Nach einer Statistik der Arbeitsagentur haben die Frauenanteile bei den Geistes- und Wirtschaftswissenschaftlern sowie bei den Naturwissenschaftlern in den vergangenen zehn Jahren am meisten zugelegt. In den technischen Fächern verläuft die Steigerungskurve deutlich flacher. Das zeigt, wie wenig bislang Anreize gewirkt haben, mehr Frauen für Mathematik und technische Jobs zu begeistern.

Nach Zahlen des Hochschul-Informationssystems (HIS) haben Berufsanfänger mit Bachelor- oder Masterabschluss gute Einstiegschancen. Trotz weiter steigender Studentenzahlen wegen der Abschaffung der Wehrpflicht und der verkürzten Gymnasialzeit seien die Chancen der Studenten so gut wie lange nicht. Das HIS hat untersucht, was aus Hochschulabsolventen des Jahrgangs 2009 wurde. Die Arbeitslosigkeit lag bei höchstens vier Prozent.

Nur drei bis fünf Prozent des Jahrgangs waren unterhalb des Qualifikationsniveaus beschäftigt. Wer jedoch als Geisteswissenschaftler mit Bachelor-Abschluss beschäftigt ist, verdient im Jahr im Durchschnitt jedoch nur 22 200 Euro, das ist nur knapp über einem Mindestlohn. Doch die Überalterung im Uni-Betrieb, an Schulen und in Behörden sorgt dafür, dass in den kommenden Jahren viele Jobs frei werden und sich dadurch für angehende Akademiker Perspektiven eröffnen.

In Hamburg beispielsweise hat die jüngste Jobmesse für Uni-Absolventen einen derartigen Erfolg gebracht, dass sie in diesem Jahr Anfang November wiederholt wird. "Hamburg ist ein dynamischer Arbeitsmarkt", sagte Arbeitsagentur-Sprecher Knut Böhrnsen dem Abendblatt. "Für Akademiker sind auch befristete Verträge und sogar eine kurzzeitige Arbeitslosigkeit kein Makel mehr. Das sehen auch Personalverantwortliche in Unternehmen so." Von einem Fachkräftemangel könne man in Hamburg noch nicht reden, bestenfalls von "Bedarf". Mit zwei Ausnahmen jedoch: In den IT-Berufen sowie bei Alten- und Krankenpflegern sei der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern mit Händen zu greifen. Die Gesundheitswirtschaft mit Krankenhäusern, Krankenkassen sowie Herstellern von Medizingeräten und Arzneimitteln ist einer der Jobmotoren in Hamburg.