Das Betreuungsgeld sorgt in keinem Fall für mehr Gerechtigkeit in unserem Sozialstaat
Die seit Wochen heiß geführte Debatte um das Thema Betreuungsgeld hat eine neue Dimension erreicht. Obwohl sich die Regierung noch zu keiner klaren Stellungnahme durchringen will, steht fest: Hartz-IV-Empfänger sollen nicht vom geplanten Betreuungsgeld profitieren. Im Gegensatz zu allen anderen Eltern, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr selbstständig zu betreuen. Sie bekommen 150 Euro im Monat - pro Kind. Das ist ungerecht! Zumindest auf den ersten Blick.
Es scheint widersinnig, ausgerechnet die Ärmsten von einer neuen Sozialleistung auszuschließen. Nehmen wir nur folgendes Beispiel: Eine arbeitssuchende alleinerziehende Mutter, die von Hartz IV lebt, soll keine 150 Euro bekommen. Die Frau eines Managers dagegen, die zu Hause ihre Kinder hütet, indes schon. Für die Hartz-IV-Empfängerin sind 150 Euro mehr im Monat eine Menge Geld. Die Managergattin ist dagegen auf diesen Betrag nicht mal angewiesen.
Soll gerade den Bedürftigen das Betreuungsgeld vorenthalten werden? Zumal insbesondere kleine Familien, die von Hartz IV leben, mit ihrem Budget nur knapp über die Runden kommen. Kein Urlaub, kein Kino, keine teuren Familienausflüge am Wochenende - ein Alltag ohne i-Tüpfelchen. Da käme ein Plus von 150 Euro pro Kind und Monat recht.
Fakt ist jedoch auch: Das Betreuungsgeld soll gerade nicht für ein solches i-Tüpfelchen sorgen. Der Sinn ist vielmehr: Eltern sollen mit dem Betreuungsgeld eine Anerkennung erfahren, wenn sie sich entscheiden, ihre Kinder selbst zu betreuen.
Braucht aber eine Hartz-IV-Familie, die ihr komplettes Einkommen vom Staat und damit vom Steuerzahler bezieht, diesen Anreiz? Die Finanzierung ihres Lebensunterhalts wird nämlich, egal ob der Nachwuchs in einer Kita betreut wird oder nicht, vom Staat übernommen. Die Hartz-IV-Bezüge sollen ja bereits die komplette soziale Absicherung gewährleisten. Wer seinen Lebensunterhalt vollständig von der Allgemeinheit finanziert bekommt, erhält darüber hinaus keine anderen Sozialleistungen, ob Kinder- oder Elterngeld. Dahinter steht der Grundgedanke: Es wird nur so viel überwiesen, dass es für eine Grundsicherung reicht.
Die staatliche Hartz-IV-Unterstützung soll ein menschenwürdiges Leben am Existenzminimum garantierten. Und das ist auch richtig so. Über die Höhe der Hartz-IV-Sätze lässt sich zwar trefflich streiten. Der Staat muss aber auch darauf achten, dass immer noch ein Anreiz bleibt, eine Arbeit aufzunehmen. Dieses Prinzip gerät jedoch in Gefahr, wenn die staatliche Alimentierung dazu führt, dass mehr Geld im Monat zur Verfügung steht, als ein Geringverdiener mit seinem 40-Stunden-Job nach Hause bringt. Das aber könnte schnell passieren, wenn Familien mit mehreren Kindern zu ihren Hartz-IV-Sätzen auch noch Betreuungsgeld bekommen.
Was soll beispielsweise eine alleinerziehende Krankenschwester mit mehreren Kindern davon halten, die für ihr Geld hart arbeiten und deren Nachwuchs in der Kita betreut werden muss, damit sie ihren Pflichten nachgehen kann?
Das Betreuungsgeld schafft keine Ungerechtigkeit ab. Eher sorgt es für neue. Aber unser Land wird auch nicht gerechter, wenn Hartz-IV-Empfänger Betreuungsgeld bekommen.
Das Thema lenkt zudem ab vom eigentlichen Problem. Denn die Einführung des Betreuungsgeldes passt überhaupt nicht in ein modernes Land, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Die Milliarden wären besser in fehlende Kita-Plätze investiert, vor allem im Süden des Landes. Denn erst wenn es davon ausreichend gibt, können wirklich alle Eltern frei entscheiden, ob sie ihr Kind zu Hause betreuen oder in eine Kita geben.