Laut Verfassungschutz dient die Gratis-Koran-Aktion der Rekrutierung von Anhängern. Volker Beck fordert Prüfung strafrechtlicher Ermittlungen.
Köln. Der Verfassungsschutz warnt vor der Verteilung von kostenlosen Koran-Exemplaren durch die extrem islamistischen Salafisten. „Koran-Verteilung ist das falsche Stichwort“, sagte der Sprecher der Behörde, Bodo W. Becker, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Es geht hier um salafistische Propaganda und die Rekrutierung von Anhängern. Der Koran ist nur ein Vehikel.“ Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), sagte am Freitagmorgen im Sender WDR 5, nicht der Koran sei das Problem, sondern die Absicht, mit dem Koran in der Hand extremistische Ideologien zu verbreiten. Jede Gemeinde habe das Recht, einen Informationsstand der Salafisten zu untersagen, wenn Teilnehmer dort zur Gewalt aufrufen, betonte der Innenminister. Grünen-Politiker Volker Beck fordert die Prüfung strafrechtlicher Ermittlungen gegen Salafisten.
+++Nach Kritik an Koran-Aktion: Salafisten bedrohen Journalisten+++
Jäger versicherte, die Salafisten seien fest im Blick von Verfassungsschutz und Staatsschutz. „Wir beobachten sie auf vielfältige Weise“, sagte Jäger. Er bekräftigte, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit schütze, nicht aber, wenn es um den Aufruf zur Gewalt oder die Anwendung von Gewalt gehe. „Da endet diese Religionsfreiheit, da ist der Staat gefragt, mit allen möglichen Mitteln der Strafverfolgung hier auch entgegenzuwirken. Das tun wir auch“, sagte Jäger. Sollten Verbote möglich sein, würden sie auch angewandt. Aber das reiche nicht. „Vor allem: Wir müssen die Jugendlichen davor schützen, sie stark machen, dass sie auf solche Ideologen nicht hereinfallen“, empfahl der SPD-Politiker.
Becker betonte, Salafisten stellten Grundelemente der freiheitlichen Demokratie in Frage. „Dazu kommt noch die ambivalente Positionierung gegenüber Gewalt.“ Der Sprecher zitierte Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm aus dem vorigen Sommer: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist; aber jeder uns bekannte Terrorist war irgendwann einmal in salafistischen Zusammenhängen unterwegs“ - dieser Satz habe weiterhin Gültigkeit.
+++Islamisten wollen kostenlos Korane verteilen - Verfassungsschutz ist alarmiert+++
Drohvideos radikaler Islamisten gegen Reporter in Deutschland hatten am Donnerstag Empörung und Protest ausgelöst. Das Bundesinnenministerium verurteilte die Attacken gegen kritische Berichterstattung über die Gratis-Koran-Aktion von Salafisten. In den bisherigen Fällen seien strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche mit. „Es ist für uns absolut nicht hinnehmbar, dass in Deutschland Journalisten bedroht werden und damit die Pressefreiheit eingeschränkt wird“, sagte Fritsche.
Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck fordert die Prüfung strafrechtlicher Ermittlungen gegen Salafisten in Deutschland. Anhaltspunkte könnten die Drohungen gegen Journalisten und andere Personen im Zusammenhang mit der kostenlosen Verteilung von Koran-Exemplaren an Nichtmuslime sein, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion am Freitag im Deutschlandfunk. Gegen das Verschenken der heiligen Schrift an sich gebe es aber keine rechtliche Handhabe. Beck forderte die islamischen Verbände und Moscheegemeinden auf, vor dieser Gruppe zu warnen. Zudem sprach er sich für die bundesweite Einführung des Islamunterrichts als Regelschulfach aus.
Nach Informationen der Zeitung "Die Welt“ waren Journalisten der „Frankfurter Rundschau“ und des Berliner „Tagesspiegels“ in einem vierminütigen Video auf YouTube namentlich genannt und bedroht worden. Sie hatten kritisch über radikal-islamische Salafisten und die umstrittene massenhafte Abgabe kostenloser Koran-Exemplare berichtet. Politiker verschiedener Parteien befürchten, dass radikale Salafisten die kostenlose Verteilung des Korans für extremistische Zwecke missbrauchen. Die Salafisten wollten an diesem Wochenende kostenlose Koran-Exemplare in deutschen Fußgängerzonen verteilen, berichtet „Die Welt“ unter Berufung auf Sicherheitskreise. Demnach hat die Organisation des Koran-Projekts für Sonnabend bundesweit 38 „Info-Stände“ bei den zuständigen Ämtern angemeldet.
Die Organisatoren der Koran-Aktion „Lies!“ zeigten sich laut „Welt“ unbeeindruckt. Der Kölner Prediger und Projekt-Initiator Ibrahim Abou Nagie, aus dessen persönlichem Umfeld nach den Recherchen auch die Drohvideos stammen, gibt sich im Internet kämpferisch. Seine Anhänger rief er demnach auf, durchzuhalten und weiter Korane zu verteilen.
Mit Material von dpa/dapd