In einem Staatsakt ist heute der zehn Todesopfer der rechtsextremen Mordserie gedacht worden. Deutschland hielt für eine Minute inne.
Berlin. Staatsakt für die Opfer der Neonazi-Mordserie: Mit einer Schweigeminute ist am Donnerstag in Berlin wie in zahlreichen anderen deutschen Städten der zehn Toten der rechtsextremistischen Mordserie in Deutschland gedacht worden. Viele Institutionen in der Hauptstadt folgten einem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und ließen die Arbeit um 12.00 Uhr kurz ruhen. Busse und Straßenbahnen stoppten an Haltestellen, U- und S-Bahnen verharrten an Bahnsteigen. Auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg unterbrach seine Programme für eine Minute.
Angehörige der Ermordeten haben bei der zentralen Gedenkfeier für die Opfer rechter Gewalt zum gemeinsamen Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit aufgerufen. "Die Politik, die Justiz, jeder Einzelne von uns ist gefordert“, sagte Semiya Simsek, deren Vater im Jahr 2000 in Nürnberg von der Zwickauer Terrorzelle getötet worden war: "In unserem Land, in meinem Land muss sich jeder frei entfalten können.“
+++ Schweigen für die Opfer der Neonazis +++
+++ Terror ist nur mit Bürgerhilfe zu besiegen +++
+++ Zahl der Opfer rechter Gewalt nach oben korrigiert +++
Simsek erinnerte daran, dass die Familien der Opfer über Jahre hinweg von Polizei und Justiz auch als Verdächtige angesehen wurden. "Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein“, sagte Simsek. Erst heute sei bekannt, dass die Verdächtigungen haltlos waren. Gamze Kubasik, Tochter des Dortmunder Kioskbetreibers Mehmet Kubasik, der 2006 ermordet worden war, brachte ihre Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland zum Ausdruck, die von mehr Zusammenhalt geprägt ist.
Zudem sprach Ismail Yozgat vor den rund 1.200 Gästen, dessen Sohn Halit 2006 in Kassel getötet worden war. Er dankte für die von den Verfassungsorganen ausgerichtete Gedenkfeier. Explizit erwähnte er den am vergangenen Freitag zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff, der auf der Veranstaltung hätte sprechen sollen. "Wir sind seine Gäste“, sagte Yozgat.
Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Gedenkfeier gesagt, die Morde seien ein Anschlag auf Deutschland und eine Schande für das Land gewesen. Sie versprach, es werde alles getan, was dem Rechtsstaat möglich sei, "damit sich so etwas nie wieder wiederholen kann“. Besonders beklemmend sei, dass die Angehörigen der Mordopfer teilweise selbst unter Verdacht geraten seien: "Dafür bitte ich um Verzeihung.“
1998 in Jena untergetauchte Neonazis hatten in den Jahren 2000 bis 2006 neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin aus Heilbronn erschossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach den Angehörigen der Opfer auf einer zentralen Gedenkfeier im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, dass der Staat alles tun werde, um die Morde aufzuklären und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Sie nannte die Morde eine Schande für Deutschland. (dpa/epd)