Beim Weltwirtschaftsforum beschäftigen sich die Mächtigen nur mit sich selbst
Wenn die Mächtigen dieser Welt aus Wirtschaft und Politik mehrere Tage lang zusammenkommen, in langatmigen Diskussionsforen globale Probleme erörtern und schließlich auseinandergehen, ohne etwas zu verändern oder zu beschließen - dann ist man in Davos. Beim sogenannten Weltwirtschaftsforum. Man kennt sich, man schätzt sich, man erwartet nichts. Das bisschen Säbelrasseln wie in diesem Jahr seitens Großbritanniens Premierminister David Cameron in Richtung Deutschland wird dann schon zum medialen Ereignis hochgejazzt. Über was soll man auch sonst bei diesem Treffen der Eitelkeiten in der idyllischen Schweizer Bergwelt berichten? Bis zum nächsten Jahr.
Dabei hätten die Mächtigen durchaus Diskussionsthemen, die einem Weltwirtschaftsgipfel angemessen wären. Die politische und ökonomische Elite in Davos könnte Zeichen setzen, vielleicht sogar Beschlüsse auf den Weg bringen, die einer globalen Ökonomie, welche Unmengen an Ungerechtigkeiten produziert, eine neue Richtung gibt. Wenn sie denn wollten. Aber sie wollen offensichtlich gar nicht.
Statt die Welt mit der Dauerdiskussion über Rettungsschirme für Eurostaaten zu langweilen, wäre es ratsam, endlich den Blick über den Tellerrand der Wohlstandsländer hinaus zu lenken. Davos-Erfinder Klaus Schwab hatte eigentlich die Initialzündung gegeben, als er die Mächtigen zu Beginn des Forums mit der Aussage provozierte, dass das kapitalistische System in seiner aktuellen Form nicht mehr in die heutige Welt passe. Ein paar Fakten zu dieser These: Zig Millionen Menschen in weiten Teilen Asiens und Afrikas leiden Hunger, in den Industrieländern landet gleichzeitig rund die Hälfte der Lebensmittel auf dem Müll. Europäer und US-Amerikaner konnten noch nie so billig Kleidung einkaufen wie heute, in den Textilfabriken von Bangladesch müssen die Arbeiterinnen derweil mit einem Hungerlohn von umgerechnet 30 Euro im Monat auskommen. Die größten CO2-Produzenten reden, reden und reden über Klimawandel, doch Entscheidungen, die schnell und effizient gegen die katastrophalen Folgen der Erderwärmung helfen, treffen sie nicht.
In Davos geht es um die Probleme der reichen Länder untereinander. Alles dreht sich um die eine Frage: Wie lässt sich der eigene Wohlstand sichern, möglichst mehren? Doch um diese Diskussion zu führen, bedarf es nicht eines weiteren Treffens. Europäer, Amerikaner und die reichen Länder Asiens haben ausreichend Anlässe, um sich über das eigene Wohl und Weh auszutauschen.
Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind auf dieser Welt, und die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft diskutieren über Euro-Rettungsschirme. Mehr Zynismus geht kaum. Die Treffen von Davos sind nicht nur überflüssig, sie sind sogar gefährlich. Denn das sogenannte Weltwirtschaftsforum suggeriert der Öffentlichkeit, hier werde über die Probleme der Welt geredet, gestritten, womöglich entschieden. Ein Trugschluss. Statt sich auf 1560 Meter Höhe in eine heile Welt, die an schnulzige Heidi-Filme erinnert, zu flüchten, sollten die Protagonisten von Davos lieber nach Bangladesch oder in die Slums Pakistans reisen, um dort die negativen Auswüchse des aktuellen kapitalistischen Systems zu erleben.
Bleibt gar nichts Positives von Davos? Bei genauer Suche findet sich ein kleiner Lichtblick. Microsoft-Gründer und Multi-Milliardär Bill Gates nutzte das Forum, um eine Spende in Höhe von 750 Millionen Dollar an den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria bekannt zu geben. "Es herrschen wirtschaftlich schwere Zeiten, aber das ist keine Entschuldigung dafür, Hilfen für die Ärmsten zu kürzen", mahnte er. Wahre Worte - und wenigstens eine Tat.