Die Linkspartei nominiert die ehemalige Journalistin Luc Jochimsen für die Wahl des Bundespräsidenten
Hamburg. Für die Linkspartei ist sie die "Schirmherrin der sozial Schwachen". Sie wolle Friedensstifterin und Vereinigerin von Ost und West sein. Mit Luc Jochimsen schickt die Linke nun ihre eigene Kandidatin in das Rennen um das Amt des Präsidenten. Die Bundestagsfraktion und die Landtagsfraktionen der Partei stimmten gestern Nachmittag dem Vorschlag der Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst zu. Jochimsen tritt bei der Präsidentschaftswahl am 30. Juni gegen den Kandidaten von CDU/CSU und FDP, Christian Wulff, und den Bewerber von SPD und Grünen, Joachim Gauck, an. Jochimsen hat unter anderem in Hamburg studiert und für den NDR gearbeitet.
Jochimsen sei für das Amt besonders geeignet, weil sie in besonderer Weise für die Wiedervereinigung stehe, sagte der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi. Die Entscheidung, die Kandidatur anzunehmen, sei Jochimsen nicht schwergefallen. "Mir ist klar, dass die kommenden Wochen und Tage nicht leicht sein werden", sagte Jochimsen. Die Linke stellt 124 oder 125 der 1244 Wahlleute und damit rund zehn Prozent aller Mitglieder der Bundesversammlung. "Ich bin es gewöhnt, Außenseiterin zu sein", so Jochimsen.
Kreszentia Flauger, Fraktionsvorsitzende der Linken in Niedersachsen, sagte, Wulff und Gauck seien für die Linken nicht wählbar. Daher gehe sie davon aus, dass Jochimsen auch bei einem zweiten oder dritten Wahlgang antrete. Verschiedene Linkspolitiker hatten erwogen, im zweiten oder dritten Wahlgang Gauck ihre Stimme zu geben. Die Partei will nun aber in allen Wahlgängen Jochimsen unterstützen.
Helmut Holter, Fraktionschef der Linken im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sagte dem Abendblatt, er sei "begeistert von Frau Jochimsen". Sie sei eine sozial engagierte Frau, die das Amt des Bundespräsidenten respektvoll und würdevoll ausfüllen könne.
Die heute 74 Jahre alte Jochimsen wurde 1936 in Nürnberg geboren und war zwischen 1994 und 2001 Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. 2005 zog sie über die Landesliste der thüringischen Linkspartei ins Parlament ein und wurde kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. 2009 gelang ihr der erneute Einzug über die Landesliste in den Bundestag.
CSU-Chef Horst Seehofer hat unterdessen das Schicksal der schwarz-gelben Koalition an die Wahl von Christian Wulff geknüpft. "Bei dieser Präsidentenwahl muss das christlich-liberale Lager zusammenstehen." Er habe nach seinen Kontakten mit FDP-Chef Guido Westerwelle "auch keinen Zweifel daran, dass das so sein wird".
Die Freien Wähler sprachen sich dagegen für den rot-grünen Präsidentschaftskandidaten Gauck aus. "Mit Joachim Gauck gibt es jetzt einen Kandidaten, der auf breite Akzeptanz der Öffentlichkeit stößt und selbst keiner Partei angehört", sagte FW-Chef Hubert Aiwanger in München. Einen eigenen Bundespräsidenten-Kandidaten werden die Freien Wähler dagegen nicht ins Rennen schicken.
Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dem Abendblatt: "Die Kandidatur von Frau Jochimsen wird der Linkspartei nicht aus der Verlegenheit helfen, sich gegebenenfalls zwischen Wulff und Gauck entscheiden zu müssen, wenn es zu einem dritten Wahlgang kommen sollte." Bei einer Enthaltung würde der Kandidat von Schwarz-Gelb mit Unterstützung der Linken zum Bundespräsidenten gewählt, so Trittin. "Wenn das linke Politik sein soll, ist dieser Partei nicht zu helfen."
Ursprünglich hatte die Linkspartei ein gemeinsames Vorgehen aller drei Oppositionsparteien angestrebt, nachdem sich Union und FDP auf Wulff festgelegt hatten. SPD und Grüne entschieden sich aber für einen Alleingang und nominierten in der vergangenen Woche den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck. "Die Kandidatur von Gauck ist kein Affront gegen die Linkspartei, sondern wäre eine Chance für sie gewesen, die sie nicht ergriffen hat", so Trittin. "Ihre Reaktion auf Gauck, in der von Rückwärtsgewandtheit die Rede war, spricht Bände."