Nach einer Studie des Wirtschaftsministeriums führt verbesserte Integration von Zuwanderern zu deutlich höherem Wirtschaftswachstum.
Hamburg. „Langfristig wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Integration von Migrantinnen und Migranten rechnen sich für die Gesellschaft und den Steuerzahler“, schrieb Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in einem Gastbeitrag des „Hamburger Abendblatts“. „Das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts würde sich langfristig um 0,1 Prozent erhöhen, wenn es nur gelänge, den Qualifikationsrückstand von Menschen mit Migrationshintergrund zu halbieren. Bei einem derzeitigen Wachstum von voraussichtlich 1,4 Prozent wäre dies eine beachtliche Steigerung.“
Die neue Untersuchung habe gezeigt, dass öffentliche Integrationsmaßnahmen „volkswirtschaftlich zu einer echten ,Integrationsrendite’ für alle führten“, so Brüderle wörtlich. „Vergleicht man die Kosten der notwendigen Maßnahmen mit den Erträgen, so ergäbe sich für die öffentlichen Haushalte eine Integrationsrendite von 12 Prozent.“ Solche Renditen seien sonst nur schwer zu erzielen.
Hier der Gastbeitrag von Wirtschaftsminister Brüderle im Wortlaut:
Deutschland spielt in vielen Bereichen in der Spitzenklasse mit. Unsere Produkte und unsere Flexibilität werden weltweit geschätzt, und auch unser duales Ausbildungssystem ist sehr anerkannt. In einem Bereich haben wir jedoch Nachholbedarf: Bei der Frage, wie gut wir unsere Migrantinnen und Migranten beruflich integrieren, schneidet Deutschland im internationalen Vergleich nicht besonders gut ab.
In Deutschland leben heute rund 15,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sind eine Bereicherung für unser Land: In kultureller, sozialer und auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Leider fallen noch immer viel zu viele dieser Menschen durch das Raster unseres Bildungssystems. Ein allgemeiner Schulabschluss und erst recht ein beruflicher Abschluss fehlen in diesem Teil unserer Gesellschaft deutlich öfter als im statistischen Mittel.
Menschen mit Migrationshintergrund sind auch häufiger von Erwerbslosigkeit betroffen oder gehen ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung, zum Beispiel einem Minijob, nach. Ein wesentlicher Grund dafür sind Sprachdefizite. Eine aktuelle Studie zeigt: Wer in Deutschland beruflich erfolgreich sein will,solltedie deutsche Sprache lernen und sie auch seinen Kindern beibringen. Wenn im eigenen Haushalt nicht Deutsch gesprochen wird, steigt das Arbeitslosigkeitsrisiko von Migrantinnen und Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt um 60 Prozent an.
Solche Zahlen können und dürfen uns als Gesellschaft nicht gleichgültig sein. Jeder wird mit seinen Fähigkeiten gebraucht. Niemand soll in sozialstaatlicher Abhängigkeit gefangen bleiben. Das ist ein liberaler Grundansatz. Die deutsche Volkswirtschaft als Ganzes kann es sich angesichts des demografischen Wandels und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels nicht länger leisten, auf die hier brach liegenden Potenziale zu verzichten.
Eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie hat die volkswirtschaftlichen Effekte einer besseren Integration von Migrantinnen und Migranten näher untersucht. Erstmals wurden dabei den Kosten von Fördermaßnahmen die zu erwartenden Erträge in der Staatskasse gegenüber gestellt. Langfristig wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Integration von Migrantinnen und Migranten rechnen sich für die Gesellschaft und den Steuerzahler. Das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts würde sich langfristig um 0,1 Prozent erhöhen, wenn es nur gelänge, den Qualifikationsrückstand von Menschen mit Migrationshintergrund zu halbieren. Bei einem derzeitigen Wachstum von voraussichtlich 1,4 Prozent wäre dies eine beachtliche Steigerung.
Außerdem hat die Studie gezeigt, dass öffentliche Integrationsmaßnahmen volkswirtschaftlich zu einer echten „Integrationsrendite“ für alle führen. Vergleicht man die Kosten der notwendigen Maßnahmen mit den Erträgen, so ergäbe sich für die öffentlichen Haushalte eine Integrationsrendite von 12 Prozent. Solche Renditen sind sonst nur schwer zu erzielen. Und das bei Null Risiko!
Wie können wir dies erreichen? Ein Beispiel unter vielen: Schulabgängern mit Migrationshintergrund und höchstens mittlerem Schulabschluss gelingt deutlich seltener der erfolgreiche Übergang in eine berufliche Ausbildung als Nicht-Migranten mit demselben Bildungshintergrund. Einige der Hauptursachen sind zum Beispiel, dass Migrantinnen und Migranten häufiger aus bildungsfernen Elternhäusern stammen, seltener einen Kindergarten besuchen und geringeren Zugang zu Lernmitteln haben.
Wir werden mit der Wirtschaft über die für Migrantinnen und Migranten bestehenden Hemmnisse diskutieren und dabei die Vorteile verdeutlichen, die sich durch deren bessere Integration ergeben. Bund und Länder müssen gemeinsam mit Reformmaßnahmen ansetzen, um Wissen, Kreativität, Neugier und Problemlösungsfähigkeit schon in jungen Jahren zu wecken und zu fördern. Nur so bewältigen wir die Herausforderungen eines Arbeitsmarktes, der zunehmend von hohen Anforderungen durch technischen Fortschritt und internationalen Wettbewerb geprägt ist. Und nur so können wir es schaffen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund in diesen Arbeitsmarkt und damit auch in unsere Gesellschaft voll integriert werden. Eine Investition, die sich in jeder Hinsicht lohnt!