Das Umweltbundesamt schlägt in einer Studie eine streckenbezogene Pkw-Maut vor. Die Maut sei gerechter als die pauschal erhobene Kfz-Steuer.
Hamburg. Ein 15 Seiten starker Aufsatz aus dem Umweltbundesamt (UBA) sorgt für Aufregung in der Politik. Die Behörde schlägt in einer Studie, die dem Abendblatt vorliegt, eine streckenbezogene Pkw-Maut vor. Diese könne am besten die Umwelt entlasten und den Verkehr auf stark befahrenen Straßen mit variablen Mautsätzen steuern. Da sich die Maut nach den gefahrenen Kilometern richte, sei sie viel gerechter als eine pauschal erhobene Kfz-Steuer, heißt es in dem Papier.
Laut UBA müsste ein Pkw-Nutzer für jeden gefahrenen Kilometer auf einer Bundesfernstraße drei Cent zahlen. Nicht nur mit dem Umweltargument, auch mit einer finanziellen Notwendigkeit argumentieren die Autoren. Konkret heißt es: "Rund 47 Milliarden Euro der von Pkw-Verkehr verursachten Kosten sind nicht durch die erbrachten Steuern und Abgaben gedeckt. Straßennutzungsgebühren sind daher gerechtfertigt." Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erteilte der Pkw-Maut umgehend eine Absage: "Der Koalitionsvertrag gibt dazu keinen Auftrag." Auch Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) distanzierte sich von der Studie.
Gleichzeitig bekräftigte der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, das Anliegen seiner Behörde. "Uns geht es um die Frage: Macht die Einführung einer Pkw-Maut aus Umweltsicht Sinn? Und diese Frage beantworten wir mit Ja", sagte er dem Abendblatt.
Flasbarth betonte: "Der Bundesverkehrsminister hat gesagt, es gibt keine Denkverbote. Das ist die richtige Herangehensweise an das Thema." Das Thema Pkw-Maut werde sehr emotional geführt, und dazu wolle das UBA einen sachlichen Beitrag leisten. "Wir geben der Bundesregierung keine Empfehlung", machte Flasbarth deutlich.
Zugleich konkretisierte er, warum für Deutschland nur eine flächendeckende Maut infrage käme: "Eine Vignette ist aus Umweltsicht keine gute Idee, weil sie pauschal erhoben wird und die Verkehrsflüsse nicht lenken könnte. Auch eine pauschale Autobahngebühr macht keinen Sinn, weil sie Ausweichverkehr produziert." Eine Maut habe daher nur Sinn, wenn man sie auf das gesamte Streckennetz beziehe.
"Eine Erhöhung der Mineralölsteuer würde wohl kaum mehr Unterstützung finden als die Einführung einer Pkw-Maut. Das Gegenteil wäre der Fall", so Flasbarth weiter. "Eine erhöhte Mineralölsteuer würde zu Tanktourismus in unsere Nachbarländer führen."
Die FDP kritisierte den Vorschlag zur Pkw-Maut scharf. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Patrick Döring sagte dem Abendblatt: "Es ist nicht das erste Mal, dass das Umweltbundesamt mit einer völlig absurden Forderung auffällt, die gegen die Linie der christlich-liberalen Koalition läuft." Es sei "nicht akzeptabel, dass das UBA als nachgeordnete Bundesbehörde ständig Politik auf eigene Rechnung macht und Forderungen aus der alt-grünen Klamottenkiste aufstellt", sagte Döring weiter.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion forderte ein Einschreiten der Bundesregierung: "Da braucht es jetzt mal ein Machtwort des zuständigen Ministers." In den vergangenen Monaten sei der UBA-Präsident Jochen Flasbarth bereits mit Forderungen aufgefallen, "die das genaue Gegenteil dessen sind, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben", kritisierte Döring. Flasbarth habe unter anderem die Verdopplung der Lkw-Maut, die Einführung eines Tempolimits und ein Neu- und Ausbauverbot für Bundesstraßen gefordert.
Die SPD warf dagegen der schwarz-gelben Koalition vor, die Autofahrer früher oder später doch mit einer Maut belasten zu wollen. "Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen kommt die Bundesregierung doch mit einer Vignette oder einer Maut um die Ecke. Schwarz-Gelb belügt die deutschen Autofahrer", sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer, dem Abendblatt. "Die Regierung muss endlich zweifelsfrei sagen, was sie will."
Auch der ADAC und der Automobilclub von Deutschland (AvD) äußerten sich ablehnend. Der UBA-Vorschlag sei ungerecht und unsozial, erklärte der ADAC. Der AvD erklärte, die Autofahrer zahlten bereits über Mineralöl- und Kfz-Steuer jährlich ein Vielfaches dessen, was seitens des Staates in den Straßenverkehr zurückfließe.