SPD-Vorstand Manuela Schwesig will das Recht schnell angleichen. FDP will Lösung in dieser Periode. Arbeitsministerium spielt auf Zeit.
Hamburg. Im Jubiläumsjahr der deutschen Einheit rast auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein unbequemes Thema zu, dem ihr Vorvorgänger Helmut Kohl mit allerlei Sonderregelungen ausgewichen war: die Angleichung der Renten in Ost und West. Im Koalitionsvertrag von Union und FDP wurde nun festgeschrieben, die Unterschiede im Rentenrecht endlich zu beseitigen: "Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein." In einem neuen Papier des CDU-Bundesvorstands "Wir sind die Union Deutschlands" steht ebenfalls: "Wir wollen ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West schaffen." Unterschlagen hat das Papier allerdings den Zeitpunkt. Jetzt gibt es Befürchtungen, dass die Lösung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.
Dabei rumort es seit Längerem in den alten Ländern, weil hier die Rentner die Ostruheständler bevorzugt sehen. In den neuen Ländern verbreitet sich die Angst um den Sonderstatus. Den gibt es deshalb, weil nach der Wiedervereinigung 1990 die Ostrenten schnell angehoben werden mussten. Andernfalls hätten sich diejenigen, die genauso lange wie im Westen, aber zu den niedrigen DDR-Löhnen gearbeitet haben, ihren Ruhestand mit gesamtdeutschen Mieten und Lebenshaltungskosten nicht leisten können. Seither werden die Rentenansprüche im Osten aufgewertet. Dadurch sehen sich Arbeitnehmer im Westen benachteiligt. Für dieselbe Einzahlung erhalten sie weniger Rente als der Ost-Kollege. Allerdings sind die Löhne im Osten nach wie vor niedriger - dementsprechend sind niedrigere Renten die Folge.
"Wir müssen die soziale Einheit vollenden. Dazu gehört für mich auch ein einheitliches Rentensystem in Ost und West - noch in dieser Legislaturperiode", sagte Manuela Schwesig dem Abendblatt. Die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende SPD-Vorsitzende fordert: "Eine reine Absichtserklärung der CDU reicht da nicht, die Bundesregierung muss jetzt handeln."
Ungewohnte Unterstützung kommt aus der FDP: Rentenexperte Heinrich Kolb, der auch stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion ist, sagte dem Abendblatt: "Die FDP hält die Angleichung der Rentenberechnung in Ost- und Westdeutschland für überfällig. Das ist mit einem organisatorischen Vorlauf auch in dieser Legislaturperiode machbar, zum Beispiel zum 1. Juli 2011. Die Hindernisse sind vor allem psychologischer Natur, weil sich die Rentner und Beitragszahler in den neuen Bundesländern wegen des niedrigeren Rentenwertes, die in den alten Ländern wegen der Lohnhochwertung der Ost-Renten benachteiligt fühlen."
Eine Sprecherin von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sagte dem Abendblatt: "Im Jahr 2010 wird es noch kein Gesetzgebungsverfahren zur Rentenangleichung geben. Priorität haben für uns zunächst die Reform der Jobcenter und von Hartz IV nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Berechnung der Kindersätze."
Die Ministerin spielt auf Zeit. Denn ihre Experten glauben, dass die befürchtete Altersarmut sich nicht so stark ausdehnen werde. Grund ist die private Altersvorsorge wie die Riester-Rente.
Landesministerin Schwesig sagte dem Abendblatt: "Die Bundesregierung muss dringend gegensteuern, um Altersarmut zu verhindern. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass viele Menschen im Osten nach 1990 meist unverschuldet ihre Arbeit verloren, lange arbeitslos sind oder waren und oftmals nur schlecht bezahlte Arbeit gefunden haben. Dies wird dramatische Spätfolgen für die Rente haben." Das Problem bleibe nicht auf Ostdeutschland beschränkt, "wenn prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne nicht bekämpft werden". Auch FDP-Mann Kolb erinnert an den Zeitfaktor: "Da die Rentenangleichung für die Verwaltung Vorlauf braucht, wird sie noch 2010 in Angriff genommen werden müssen. Das Gleiche gilt für die vorgesehene Regierungskommission, die sich dem Kampf gegen Altersarmut widmen soll. Sie wird Ende dieses Jahres, nach Abschluss der Hartz-Reformen, ihre Arbeit aufnehmen."
Nach der Kommission für die Gesundheit noch eine für die Rente - das birgt erhebliches Streitpotenzial für Schwarz-Gelb.