Frankfurt. Drei ehemalige Odenwaldschüler - die Journalistin Regina Bappert, der Verleger Joachim Unseld und der Verlagskaufmann Adrian Koerfer - haben sich in der "Frankfurter Rundschau" erschüttert über die Missbrauchsfälle an ihrer alten Schule gezeigt. Koerfer sagte, er sei von mehreren Lehrern missbraucht worden. "Ich war im Zentrum des Taifuns. Dort, wo es, im Bett nämlich, ganz still war." Über die Missbrauchsfälle sei niemals gesprochen worden - weder unter den Schülern noch mit den Eltern. Bis heute leide er, "weil ich seitdem keine körperliche Nähe mehr zulassen kann". Über die Rolle des Reformpädagogen Hartmut von Hentig, der auch der Lebenspartner des ehemaligen Schulleiters Gerold Becker ist, sagte Koerfer: "Ich weiß es und ich beschwöre es vor Gericht: Ein Freund von mir hat bei ihm und Becker übernachtet."
Unseld, der selbst nicht von Übergriffen betroffen war und nach eigenen Worten auch nichts davon mitbekam, sagte, der frühere Schulleiter sei offensichtlich ein Triebtäter, acht Lehrer würden nun beschuldigt. "Das Perverse ist doch, dass das ganze System von großen Pädagogen getragen wurde. Unter dem Deckmantel des besten reformpädagogischen Ansatzes der Bundesrepublik geschah dort das genaue Gegenteil, eine Anti-Pädagogik, nicht Führung, sondern Verführung", sagte Unseld.
Von Hentig wehrt sich in der "Zeit" gegen Verdächtigungen, er sei in den Skandal an der Odenwaldschule verstrickt. Von Übergriffen seines Lebensgefährten, des früheren Schulleiters Gerold Becker, habe er nichts mitbekommen. Mit dem Argument, er sei Beckers Freund, werde er "in Sippenhaft" genommen. Er sei von 1968 bis 1985 zu etwa zwölf Besuchen in der Schule gewesen. Dabei habe er nicht "einen anderen als den öffentlichen Umgang Beckers mit den Schülern beobachten" können. Seinen Freund werde er nicht fallen lassen.