Ein Störfeuer aus München sorgt für Ärger am Rande des CDU-Parteitags. Neues CSU-Papier konterkariert geplante Gesundheitsreform.
Berlin. Es war natürlich augenzwinkernd gemeint, als Angela Merkel die Journalisten gestern beim kleinen CDU-Parteitag in Berlin mit den Worten begrüßte, sie würden über die Veranstaltung "hoffentlich viel Interessantes und auch Gutes berichten". Sieben Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, bei der es für Schwarz-Gelb den Umfragen zufolge nicht gerade gut aussieht, war der CDU-Vorsitzenden klar, dass die meisten Korrespondenten nicht gekommen waren, um die Wahl des bis dato kommissarisch agierenden neuen Generalsekretärs Hermann Gröhe zu erleben.
Zumal aus München abermals ein Störfeuer angekündigt worden war, das der Stimmung in der Parteiführung erkennbar einen Dämpfer versetzt hatte. Denn ausgerechnet während der Parteitag im Hotel Berlin zusammentrat, trafen sich die CSU-Spitzen in der bayerischen Landeshauptstadt, um ein eigenes Konzept zur Gesundheitsreform auszuformulieren, das nur eine Zielrichtung hatte: die Pläne von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler zur Einführung einer Kopfpauschale zu konterkarieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder, der immer ausspricht, was die Kanzlerin in so klaren Worten nicht äußern will, sagte am Rande des Parteitags, es helfe nicht weiter, neue Diskussionspapiere vorzulegen, und es trage auch nicht dazu bei, dass die Bundesregierung ein geschlossenes Bild abgebe: "Es muss bei allen die Überzeugung wachsen, dass wir eine Koalition sind und wir gemeinsam Erfolg brauchen." Man solle nun die von Rösler eingesetzte Kommission zur Reform des Gesundheitswesens ihre Arbeit machen lassen.
Die Kanzlerin blieb in ihrer Rede allgemeiner und sagte nur: "Dieses Gesundheitssystem, wie wir es verändern wollen, wird solidarischer sein als das, was wir heute haben." Bei der Reform werde der Solidarausgleich für diejenigen, die sich nicht beteiligen könnten, aus Steuermitteln finanziert. Die Gesundheits-Beiträge müssten von den Arbeitskosten abgekoppelt werden, andernfalls würden Arbeitsplätze gefährdet. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder, der sich als Gegenspieler Röslers begreift, lehnte eine lohnunabhängige Kopfpauschale, wie sie die Liberalen in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt haben, hingegen erneut strikt ab.
In der FDP war man gestern allerdings entschlossen, sich an die Worte "der Frau Bundeskanzlerin" zu halten, wie Generalsekretär Christian Lindner mehrfach betonte. Das CSU-Konzept stehe im Widerspruch zur Ankündigung der Kanzlerin, die Gesundheitskosten stärker vom Faktor Arbeit zu lösen, sagte Lindner mit Blick nach München. Nichtsdestotrotz berieten Rösler und Söder gestern Nachmittag ihre unterschiedlichen Vorstellungen, und Lindner kommentierte das mit den Worten, er finde es gut, dass sich die beiden mal träfen.
Bereits am Sonntag hatten sich Angela Merkel, FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer im Kanzleramt zusammengesetzt, um einen gemeinsamen Kurs im Vorfeld der NRW-Wahl abzustecken. Offenbar mit Erfolg. Immerhin geht die FDP nach dem monatelangen Streit um die Steuerreform jetzt doch auf die Union zu. Angesichts der massiven Staatsschulden sind die Liberalen bereit, die vereinbarten Steuersenkungen in zwei Stufen umzusetzen und "das Ganze", wie Westerwelle zitiert wurde, "zeitlich aufzufächern". Am angestrebten Entlastungsvolumen von bis zu 19 Milliarden Euro wollen die Liberalen aber möglichst festhalten. Und Merkel sagte beim kleinen Parteitag Steuerentlastungen vor allem für kleine und mittlere Einkommen zu: "Wenn wir die Möglichkeit haben, Steuern zu senken, dann muss das in diesem Bereich geschehen." Wie hoch die Entlastungen am Ende tatsächlich ausfallen könnten, das werde sich jedoch frühestens nach der Steuerschätzung vom 5. Mai zeigen. In den darauffolgenden vier Tagen bis zur NRW-Wahl wollen CDU/CSU und FDP dann gewissermaßen auf den letzten Metern Details ihrer Steuerpläne präsentieren. So soll der drohende Mehrheitsverlust der von Jürgen Rüttgers geführten schwarz-gelben Landesregierung verhindert werden.
Angesichts der Umfragen ist man in Berlin um mehr Teamgeist bemüht. Die Union geht auf die Liberalen zu, was die Festlegung auf eine Abschaffung der kalten Progression betrifft, die die Gehaltserhöhungen in den mittleren Einkommen auffrisst. Und die Liberalen rücken von ihrem rigoros verfochtenen Drei-Stufen-Modell in der Steuerpolitik ab, das die Union für nicht finanzierbar hält. Kein Wunder, dass Wahlkämpfer Rüttgers vor den Delegierten des kleinen Parteitags noch einmal eindringlich warnte: "Es kann nicht sein, dass Kommunen Kindergärten nicht ausbauen können, Schwimmbäder schließen müssen für Steuersenkungen, für die kein Geld mehr ist." Die Wahl in seinem Bundesland sei kein Selbstläufer, man stehe vor einer "harten Auseinandersetzung" mit der SPD und der Linkspartei. Aus Berlin nehme er "Zeichen der Solidarität" mit nach Düsseldorf.
Von solchen Zeichen war am Ende des Treffens der Gesundheitsminister Söder und Rösler allerdings nichts zu sehen. Immerhin attestierte der Bayer seinem Kollegen später, dass es "ein sehr höfliches Gespräch" gewesen sei, das man da geführt habe. Im Klartext bedeutet das: NRW-Wahl hin oder her, die CSU bleibt bei ihrer kompromisslosen Art.