CDU-Vize ermahnt die Liberalen zu pragmatischer Steuerpolitik. Er fordert die Koalition auf, als Einheit aufzutreten.
Hamburg. Seit ihrem Amtsantritt streitet die Koalition über ihren Kurs in zentralen Fragen wie der Steuer-, der Gesundheits- und der Energiepolitik. Zuletzt waren Aussagen führender CDU-Köpfe über eine begrenzte Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken als deutliche Annäherung an die Grünen verstanden worden. Auch beim Politischen Aschermittwoch hatten die Chefs der Regierungsparteien ihre Auftritte dafür genutzt, sich von den Koalitionspartnern zu distanzieren.
Nun hat CDU-Vize Roland Koch die Berliner Koalitionsparteien in scharfer Form zur Ordnung gerufen. CDU, CSU und FDP sollten sich "im Gegensatz zu den letzten Monaten als Einheit verstehen und auch so auftreten", sagte der hessische Ministerpräsident dem Hamburger Abendblatt. "Bei allem Verständnis für die jeweils eigene Profilierung sollten wir nicht aus dem Auge verlieren, dass Koalitionen vom Vertrauen, vom Miteinander und davon leben, dass man zu dem gemeinsam Vereinbarten steht - und nicht davon, dass wechselseitig und andauernd abfällig übereinander gesprochen wird", sagte Koch weiter. Die Koalition habe ein Mandat dafür bekommen, das Land ordentlich zu regieren. Darauf hätten die Menschen ein Anrecht.
Zugleich rief der stellvertretende CDU-Vorsitzende die FDP in Berlin dazu auf, in der Haushaltspolitik den Bogen nicht zu überspannen. "Wenn man die Finanzpolitik jahrelang aus der Opposition heraus betreiben musste und keinen Einblick in die Bücher hatte, muss nicht jede Zahl oder Forderung der Prüfung standhalten", so Koch. "Wenn man aber dann in die Regierung gelangt, muss man - wie die FDP in Hessen es übrigens in kurzer Zeit geschafft hat - auf der Basis der nüchternen Zahlen und Entwicklungen pragmatisch seiner Verantwortung nachkommen." Dies sei notwendig, auch wenn es "die eine oder andere Korrektur gegenüber der eigenen Programmatik mit sich bringt".
Die FDP hatte zuletzt gefordert, in der Steuerpolitik eine schnellere Gangart einzulegen. Der Generalsekretär der Liberalen, Christian Lindner, hatte in diesem Zusammenhang die Steuerschätzung im Mai als "überbewertet" bezeichnet und eine "positive Überraschung" angekündigt. Erst im Januar hatten die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) bei einem Spitzengespräch bekräftigt, dass die geplante Steuerreform erst nach der Steuerschätzung ausgearbeitet werden soll. Von der Prognose erwartet man sich auch Aufschluss darüber, in welchem Umfang Steuerentlastungen gegenfinanziert werden können. Die FDP dringt auf ein Entlastungsvolumen von 19,4 Milliarden Euro.
Als erster Ministerpräsident drohte Jürgen Rüttgers (CDU) in Nordrhein-Westfalen mit einem Veto seines Landes gegen die geplanten Steuerentlastungen. Auch die beiden großen Kirchen in Deutschland erwägen, sich gegen die Pläne der Bundesregierung für eine Reform der Einkommenssteuer zur Wehr zu setzen. Ein Stufentarif könnte bis zu einer Milliarde Euro weniger Kirchensteuern pro Jahr ergeben, schätzt man in den Finanzabteilungen der Kirchen.