Acht Euro mehr pro Monat. Was die Kassen jetzt verlangen, ist politisch gewollt. Doch Regierung und Opposition suchen Ausreden.
Hamburg/Berlin. Zusatzbeitrag, Extraprämie, kleine Kopfpauschale – was einige gesetzliche Krankenkassen heute verkünden, kann man nennen, wie man will. Eins ist klar: Für die Versicherten wird die Gesundheit teurer. Die ersten Krankenkassen werden demnächst acht Euro pro Monat zusätzlich zu den Beiträgen verlangen. Die DAK, Deutschlands drittgrößte Kasse, machte den Anfang. Vorstandschef Herbert Rebscher kündigte den Zusatzbeitrag am Montag an.
Die Vorstandschefin des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen, Doris Pfeiffer, rechnet damit, dass solche Zahlungen spätestens 2011 für fast alle gesetzlich Versicherten fällig werden. Sie sagte im Deutschlandfunk: „Wir haben bei den gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr ein Defizit von 7,8 Milliarden Euro.“ Das sei kein Managementfehler, sondern hänge damit zusammen, dass die Ausgaben für Ärzte und Krankenhäuser deutlich gestiegen seien, sagte Pfeiffer.
Pfeiffer kritisierte die seit Jahren steigenden Ausgaben. Es werde zu viel Geld für nutzlose Dinge ausgegeben. Angesichts der Wirtschaftskrise müsse es auch im Gesundheitswesen Einschnitte geben, sagte die Verbandschefin.
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte, es müsse „nachgewiesen werden, dass alle Sparmöglichkeiten ausgeschöpft sind“. Er erwarte von „dem zuständigen Bundesgesundheitsminister, sich um diese Frage zu kümmern“, sagte der bayerische Ministerpräsident, ohne Philipp Rösler (FDP) namentlich zu nennen. „Was mir nicht gefällt, ist diese Flucht in Beitragserhöhungen“, sagte Seehofer. Beitragserhöhungen würden viele Kassenpatienten überfordern. Deshalb müssten zunächst Anstrengungen auf der Ausgabenseite unternommen werden.
Der Sozialverband VdK hat die Zusatzbeiträge als unsozial kritisiert. „Damit verschieben sich die Lasten noch stärker einseitig auf die Arbeitnehmer und Rentner“, sagte Präsidentin Ulrike Mascher der „Frankfurter Rundschau“. Während Arbeitgeber verschont würden, müssten Menschen mit kleinen Einkommen die Kosten tragen. „Vor allem für viele Rentnerinnen sind acht Euro ein Betrag, der wehtut“, sagte Mascher.
Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer hat stärkere Sparanstrengungen gefordert. Nötig sei beispielsweise eine effizientere Steuerung des Arzneimittelmarktes, damit auch in Zukunft alle Versicherten vom medizinischen Fortschritt profitieren könnten, sagte der CSU-Politiker der „Berliner Zeitung“. Auch von den Krankenkassen verlangte Singhammer größere Anstrengungen, die Kosten im Griff zu behalten. Er sehe mit Interesse, dass es Kassen gebe, die zunächst ohne Zusatzbeitrag auskämen. „Offenbar gibt es also Möglichkeiten, im geplanten Kostenrahmen zu bleiben.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, hat ein Alternativkonzept seiner Partei zur Gesundheitspolitik der Bundesregierung angekündigt. „Die SPD wird in den kommenden Monaten ein eigenes Reformkonzept mit drei Kernelementen vorlegen“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“. Zum einen müsse man zur jeweils hälftigen Beitragsfinanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zurückkehren. Derzeit zahlen Arbeitnehmer einen Extrabeitrag von 0,9 Prozent vom Gehalt.
Und zum anderen wolle die SPD die Zusatzbeiträge abschaffen, weil Einkommensschwache dadurch besonders belastet würden. „Die Arbeitgeber müssen an der Finanzierung der künftigen Lasten des Gesundheitssystems mit beteiligt werden“, sagte Lauterbach. Nur so entstehe auch „ein Druck zum Sparen und effektiven Wirtschaften“. Außerdem sei ein Gesundheitssystem für alle erforderlich, in das sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte einzahlten. Sämtliche Kassen könnten dann wieder ihren Beitragsatz selbst bestimmen. „Das würde endlich wieder für mehr Wettbewerb im System sorgen“, meinte Lauterbach.
Dabei unterschlägt er allerdings, dass die SPD die Zusatzbeiträge mitbeschlossen und den Extrabeitrag der Arbeitnehmer während der rot-grünen Regierungszeit verabschiedet hat.