Die CDU ringt auf der Klausurtagung um ihren Kurs. Saarlands Ministerpräsident Müller lehnt ein neues Grundsatzpapier ab.
Berlin. Die CDU ist gestern mit einem kleinen Paukenschlag in ihre traditionelle Klausurtagung zum Jahresauftakt gestartet. Wie Teilnehmer nach draußen sickern ließen, hat der saarländische Ministerpräsident Peter Müller bereits angekündigt, dass er die "Berliner Erklärung" nicht unterschreiben werde.
Dieses Papier soll heute vom Parteivorstand verabschiedet werden - darin spricht sich die Parteispitze für den "Einstieg in eine Steuerstrukturreform mit dem Ziel der Vereinfachung und Entlastung" aus, wie sie auch der Koalitionspartner FDP fordert. Dafür sieht Müller jedoch keinen Spielraum. Ein ebenso explosiver Bestandteil des zehnseitigen Konvoluts ist die Festschreibung der programmatischen Ausrichtung der Partei auf die Merkel-Strategie.
Das Papier zählt in diesen Passagen eine ganze Reihe von Vorhaben auf. Die Vorsitzende will demzufolge neue Wege zu Wählern jenseits der christlich-konservativen Stammklientel öffnen, um bei Wahlen wieder die 40-Prozent-Marke zu erreichen. Das CDU-Zweitstimmenergebnis von 33,8 Prozent bei den Bundestagswahlen müsse "Ansporn sein, wieder mehr Menschen für uns zu gewinnen", heißt es in dem Papier. Demnach will die CDU noch mehr frustrierte Wähler der SPD für sich gewinnen, "die vom Linksruck dieser Partei und der zunehmenden Bereitschaft zu Bündnissen mit der Linken enttäuscht sind". Auch zur FDP abgewanderte Wähler, Umweltbewusste aus dem Spektrum der Grünen und Zuwanderer will die Partei verstärkt ansprechen. Angesichts verschiedener Lebensentwürfe müsse die Partei "auf allen Ebenen" Anstrengungen unternehmen, um ihre feste Verankerung in der Gesellschaft zu erhalten. Dabei soll der Versuch unternommen werden, die konservative Stammklientel weiter bei der Stange zu halten, wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gestern ausführte.
Bei den Stammwählern müsse für die "Weiterentwicklung unserer Politik" geworben werden, nur dann gebe es die Chance, "neue Pfade auch gemeinsam zu gehen", wie er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte. Im Klartext: Die Konservativen sollen lernen, dass die Öffnung nach links alternativlos ist. Auch die Parteivorsitzende, die lange zum Kursstreit in der CDU schwieg, hat ihre Partei im Vorfeld auf diese - ihre - Richtung eingeschworen. "Wir müssen immer um eine möglichst breite Wählerschaft ringen, das bedeutet natürlich auch, den gewachsenen Anteil von Wechselwählern zu erreichen." Die CDU müsse als Volkspartei auch in Zukunft "eine große Bandbreite an Überzeugungen abdecken", sagte sie dem "Handelsblatt". Wohl wissend, dass in den eigenen Reihen die Kritik an genau dieser Strategie, die manchem als zu beliebig gilt, nicht abreißen will.
Merkel ist fest entschlossen, sich auf der Klausurtagung trotz des Gegenwinds die Prokura für ihre Strategie zu holen. Es werde "daher mehr denn je entscheidend darauf ankommen, die eigenen Stammwähler zu binden und neue Wähler hinzuzugewinnen".
Gestärkt fühlen kann sich die Kanzlerin auch durch das Ergebnis einer neuen Umfrage, wonach ein Großteil der Bundesbürger (46 Prozent) die Kritik an ihrem Führungsstil nicht teilt, wie das Meinungsforschungsinstitut Emnid für N24 ermittelt hat. Am Abend standen auf der Klausurtagung Gespräche mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, und der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann auf dem Programm. Es sollte der erste gemeinsame Auftritt der neuen Ratsvorsitzenden und ihres Kollegen seit der Wahl Käßmanns im Oktober vergangenen Jahres sein. Leitfrage für das Gespräch: Inwieweit versteht sich die CDU als christliche Partei? Heutiger Schwerpunkt ist die Arbeitsplanung für 2010. Das Augenmerk liegt dabei auf dem Thema Konsequenzen aus der Krise.