Hamburg. Die Aufregung in den Ländern über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ebbt nicht ab. Niedersachsens neuer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident Jörg Bode (FDP) lobt die geplante Steuersenkungen und die damit verbundenen Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern. Er fragt, ob Schleswig-Holstein genug Haushaltskonsolidierung betrieben hat.
Abendblatt:
Herr Minister, Niedersachsen hat offenbar kein Problem mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Wieso Teilen Sie die Sorgen der anderen Länder nicht?
Jörg Bode:
Wir sind von den Wirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes überzeugt. Es gibt der Wirtschaft viele positive Signale. Das Gesetz ist auch ein Sprung der Gesellschaft zu mehr Familienfreundlichkeit. Nachdem der Bund Bereitschaft signalisiert hat, bei der Finanzierung einen höheren Anteil zu übernehmen als er eigentlich müsste, ist dieses Gesetz für uns tragbar.
Abendblatt:
Haben Sie gar kein Verständnis für die Wünsche einiger Bundesländer, die Steuerausfälle ausgeglichen zu bekommen?
Bode:
Ich habe das kategorische Nein vieler Bundesländer zu dem Gesetz zur Kenntnis genommen. Bei den Ländern mit SPD-Regierungsbeteiligung hat mich das nicht gewundert. Die Lage Schleswig-Holsteins ist wegen der besonderen Schuldensituation differenzierter. Aber ich bin überzeugt, dass Schleswig-Holstein bei der Konsolidierung seines Haushalts noch Potenzial hat. Niedersachsen ist selbst bei seinen Beamten dahin gegangen, wo es weh tut.
Abendblatt:
Ihr Ministerpräsident Christian Wulff hat mit einer Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat gedroht, sollte Schleswig-Holstein eine Sonderlösung erhalten. Halten Sie den Sonderweg für ein Land ernsthaft für möglich?
Bode:
Definitiv nicht. Es wäre dann das einzige Land, das im Bundesrat noch dem Gesetz zustimmt. Ich kann garantieren, dass auch die Länder, die bereits ihre Zustimmung signalisiert haben, das Gesetz bei einer Einzelfallregelung ablehnen werden. Eine Extrawurst für ein einziges Land kann es nicht geben.
Abendblatt:
Will denn Niedersachsen gar nicht entlastet werden?
Bode:
Weil der Bund den höheren Kostenanteil übernimmt, werden wir ja entlastet. Es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, Wachstum und Beschäftigung zu verbessern. Ein Beispiel: Wir wollten immer eine andere Erbschafts- und Schenkungssteuer. Jetzt bekommen wir, was wir gefordert haben. Auch wenn das ein Kostentreiber für die Länder ist, müssen wir dazu stehen und gegenfinanzieren.
Abendblatt:
Am Sonntag trifft sich Kanzlerin Merkel mit Schleswig-Holsteins Regierungschef Carstensen und FDP-Fraktionschef Kubicki. Zu welchem Ergebnis sollte die Runde kommen?
Bode:
Ob es überhaupt am Sonntag ein Ergebnis gibt, ist die Frage. Vielleicht kommen wir auch erst am kommenden Donnerstag zu einer Lösung.
Abendblatt:
Eine Lösung hätte Saarlands Ministerpräsident Müller: einen erhöhten Mehrwertsteueranteil der Länder ...
Bode:
Ein fairer Vorschlag. Wir reden hier über einen erhöhten Mehrwertsteueranteil für die Länder von 1,3 Prozent. Ich glaube, damit kann auch der Bund gut leben.
Abendblatt:
In den Ländern scheint die FDP inzwischen uneins, ob Steuersenkungen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro so eine gute Idee waren. Sind Sie noch die Steuersenkungspartei wie vor der Bundestagwahl?
Bode:
Kein FDP-Politiker in den Ländern ist gegen das Entlastungspaket, sondern Kollegen wie Wolfgang Kubicki wollen einen gerechten Lastenausgleich. Das ist ein gravierender Unterschied. Wir wollen mit dem Gesetz die Bürger spürbar entlasten. Die Frage ist nur: Wer übernimmt wie viel.
Abendblatt:
Ist das im Grundgesetz verankerte Ziel für die Länder, ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen, noch realistisch?
Bode:
Besondere Situationen machen besondere Ausnahmen möglich. Das sieht das Grundgesetz so vor. Wir haben dennoch weiterhin das Ziel, die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Die Prognosen sehen ein Wachstum im kommenden Jahr. Wir werden also wieder bessere Zeiten erleben. Aber es ist jetzt wichtig, die richtigen Wachstumsimpulse zu setzen.
Abendblatt:
Wie lange brauchen wir dann noch den Solidaritätszuschlag?
Bode:
Wir brauchen eine komplette Steuerreform. Der Solidaritätszuschlag ist ein Teil des jetzigen Steuersystems. Es bringt jetzt nichts, an einigen Symptomen das alten Systems rütteln zu wollen.