Angehörige von KZ-Opfern verfolgen gebannt die Anklage. Die Verteidigung will das Verfahren sofort stoppen.

München. „Gefühllos“ und „unbarmherzig“ soll er an der Ermordung von über 27 900 Juden mitgewirkt haben. Das zumindest glauben die Ankläger im Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk. Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz warf dem 89-jährigen vor dem Münchner Schwurgericht vor, als Wachmann im Vernichtungslager Sobobor 1943 bereitwillig den SS-Leuten geholfen zu haben, „weil er selbst deren Tötung aus rasseideologischen Gründen wollte“.

Demjanjuk lag wie schon am ersten Prozesstag mit geschlossenen Augen und nahezu regungslos auf einer Trage.

Still verfolgten 22 Familienangehörige von Ermordeten, wie der Staatsanwalt die Liste der in Sobibor eintreffenenden Transporte verlas. Der Sobibor-Überlebende Thomas Blatt fasste Demjanjuk fest ins Auge, als die Namen und das Todesdatum seiner Mutter, seines Vaters und seines zehnjährigen Bruders Henry genannt wurden.

Einige sähen in Demjanjuk einen alten, kranken Mann, sagte Blatt. „Ich sehe auch einen Mann, der die Juden in die Gaskammern gebracht hat.“ Die ukrainischen SS-Helfer als Opfer mit den jüdischen Arbeitshäftlingen auf eine Stufe zu stellen, wie dies Demjanjuks Wahlverteidiger Ulrich Busch getan hatte, sei „idotisch“: Ein so schlechter Scherz könne nur einem „völligen Idioten“ einfallen, sagte der Sobibor-Überlebende.

Verteidiger Busch beantragte zum Auftakt des zweiten Prozesstages die sofortige Einstellung des Verfahrens, nachdem er schon am Vortag das Schwurgericht und die Staatanwaltschaft wegen Befangenheit abgelegt hatte. Die deutsche Justiz sei nicht zuständig.

Der Prozess sei rechtsstaats- und verfassungswidrig. Demjanjuk sei schon 1993 in Israel vom Vorwurf des Mordes in Sobibor freigesprochen worden. Auch seine „Zwangsdeportation“ aus den USA im Mai sei illegal gewesen, sagte Busch. Das Gericht will später über die Anträge entscheiden. (abendblatt.de/AP)