Urteil: Berlin verletzt die Religionsfreiheit. Vier verkaufsoffene Sonntage hintereinander verstoßen gegen das Grundgesetz.
Karlsruhe. Verkaufsoffene Sonn- und Feiertage sind in Deutschland nur in Ausnahmefällen zulässig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und damit die großzügigen Regeln zur Ladenöffnung im Land Berlin teilweise für verfassungswidrig erklärt. Die im Jahr 2006 getroffene Regelung zu den vier Adventssonntagen verletze das Recht der Kirchen auf Religionsfreiheit, sagte Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Urteilsverkündung.
Allerdings dürfen die Geschäfte an den verbleibenden Adventssonntagen in diesem Jahr noch öffnen. Das Verbot des Bundesverfassungsgerichts greift erst ab 2010.
In Berlin durften die Geschäfte seit 2006 an bis zu zehn Sonntagen zwischen 13 und 20 Uhr öffnen, darunter an allen vier Adventssonntagen. Gegen das Gesetz hatten die evangelische und die katholische Kirche geklagt.
Katrin Göring-Eckardt, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat das Urteil begrüßt. Dies sei ein eindeutiges Signal gegen den Kommerz und für den Sonntag als gemeinsamen Ruhetag für alle, sagte Göring-Eckardt im ZDF. Die Sonntagsruhe betreffe zunächst die Christen, sei aber ein „Geschenk an die ganze Gesellschaft“.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat das Urteil begrüßt. Es sei eine gute Nachricht zu Beginn der für die Einzelhandelsbeschäftigten extrem belastenden Weihnachtszeit, sagte die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. Auch die kirchenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), sprach von einer erfreulichen Entscheidung. „Das besonnene Urteil aus Karlsruhe unterstreicht, dass der Sonntag kein Tag wie jeder andere ist.“ Der Sonntagsschutz komme allen zugute, nicht nur den christlichen Kirchen.
Nach dem sogenannten Weimarer Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der Arbeitsruhe und der „seelischen Erhebung“. Nach den Worten des Ersten Senats folgt aus dem Kirchenartikel ein besonderer verfassungsrechtlicher Schutz des Sonntags. „Gesetzliche Schutzkonzepte müssen erkennbar die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erheben“, sagte Gerichtspräsident Papier. „Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um die Verkaufsstellenöffnung an diesen Tagen ausnahmsweise zu rechtfertigen.“
Die Öffnung der Geschäfte an vier Sonntagen hintereinander ist laut Gericht nicht mit diesen Vorgaben vereinbar. Die übrigen Vorschriften zur Sonntagsöffnung in Berlin billigte das Gericht im Grundsatz. Bei den vier Sonntagen, die die Senatsverwaltung „im öffentlichen Interesse“ freigeben darf, ordnete das Gericht aber an, die Öffnung auf die Zeit zwischen 13 und 20 Uhr zu begrenzen. Darüber hinaus dürfen Berliner Geschäfte an zwei weiteren Sonntagen etwa bei Firmenjubiläen oder Straßenfesten ihre Waren verkaufen. (epd/dpa)