Ministerpräsident Peter Harry Carstensen war bisher ein treuer Gefolgsmann von Kanzlerin Angela Merkel. Jetzt könnte es Ärger geben.

Kiel. Schleswig-Holstein hat im Bundesrat derzeit eine Schlüsselrolle und lässt erstmals die Muskeln spielen. Der Koalitionsausschuss von CDU und FDP in Kiel beschloss, die Steuerpläne der CDU/FDP-Bundesregierung kurz vor Weihnachten in der Länderkammer zu stoppen, wenn Schleswig-Holstein für die drohenden Einnahmeausfälle nicht entschädigt wird. Die Einbußen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden vom Kieler Finanzministerium auf insgesamt 130 Millionen Euro im Jahr beziffert. Das Land würde demnach 70 Millionen, die Kommunen 60 Millionen Euro verlieren. Einen derartigen Aderlass kann Schleswig-Holstein kaum verkraften. Das Küstenland ist chronisch klamm, braucht jeden Cent, um die Vorgaben der in Berlin beschlossenen Schuldenbremse zu erfüllen.



Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), bisher ein treuer Gefolgsmann von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), machte nach dem Koalitionsausschuss klar, dass Schleswig-Holstein keine andere Wahl hat. Das Land könne keinem Gesetz zustimmen, dass es finanziell belaste. Die Küsten-FDP sieht das genauso.

In der Landesregierung ist man deshalb sicher, dass die Bundesregierung Zugeständnisse macht, um das erste schwarz-gelbe Großprojekt auf Bundesebene zu retten. Kernpunkt des Steuerpaketes ist eine Entlastung der Familien. Sie sollen ab Jahreswechsel für jedes Kind 20 Euro mehr erhalten. Zugleich sollen die Kinderfreibeträge steigen. Profitieren sollen auch Unternehmen, etwa durch Erleichterungen bei der Gewerbesteuer. Vorgesehen sind zudem Abstriche bei der Erbschaftssteuer. Sie steht den Ländern zu.

Besonders umstritten ist eine Tourismus-Regelung, die Bayern durchsetzte. Demnach soll für Übernachtungen in Hotels, Pensionen und Gasthöfen nur noch ein Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent (bisher 19) gelten. Nutznießer wäre das Hotel- und Gaststättengewerbe und - falls der Steuernachlass weitergegeben wird - auch der Urlaubskunde. In Schleswig-Holstein, wo viele Ferienquartiere privat vermietet werden, möchte man die Tourismus-Regelung am liebsten kippen. "Ich kann nicht erkennen, wie diese Regelung das Wachstum beschleunigen soll", sagte CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher. Vielmehr werde eine Branche gezielt gefördert.

Mit der Tourismus-Regelung ist es aber nicht getan. Von Boetticher forderte vom Bund einen "Vollausgleich" für Schleswig-Holstein, also Entlastungen in Höhe von bis zu 130 Millionen Euro im Jahr. Möglich wäre das über eine Korrektur der Steuerverteilung zugunsten der Länder. Doch dies würde den Bund Milliarden kosten.

"Wir werden uns möglichst teuer verkaufen", sagte von Boetticher. Er liegt damit auf einer Linie mit FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Klar ist, dass ohne Schleswig-Holstein vorerst in Deutschland politisch fast nichts läuft. Mit seinen vier Stimmen im Bundesrat ist das Land Zünglein an der Waage zwischen dem restlichen schwarz-gelben Lager (33) und den anderen Ländern (32). Ändern könnte sich dies frühestens im Mai - mit der Landtagswahl im schwarz-gelb regierten Nordrhein-Westfalen. Im Landeshaus wird schon spekuliert, was die Regierung für ihre Voten im Bundesrat herausholt. So haben die Kieler etwa mehrere große Verkehrsvorhaben in Planung, für die es bisher kein Geld aus Berlin gibt.