Der künftige Parteichef donnerte los: “Ihr wisst ja: Ich bin nicht in der Abteilung Weichei zu Hause“.
Loxstedt. "Lasst uns ehrlich sein", donnert Sigmar Gabriel von seinem Stehtisch unter einem Basketballkorb los. "Ihr wisst ja: Ich bin nicht in der Abteilung Weichei zu Hause", ruft er in der Turnhalle von Loxstedt in Niedersachsen den knapp 300 Genossen zu. Doch einfach "weg mit der Rente mit 67 und mit Hartz IV" zu fordern, "damit ist das Problem nicht gelöst". Ja, es gebe Korrekturbereitschaft: "Aber das geht alles nicht hopplahopp."
Gemeinsam mit Andrea Nahles, der designierten Generalsekretärin, tourt der künftige SPD-Vorsitzende quer durch die Republik, um die aufgebrachte Parteibasis noch rechtzeitig vor dem Dresdner Parteitag in zwei Wochen zu beruhigen. Am Wochenende machen beide im Landkreis Cuxhaven Station. An langen Holztischen, bei Kaffee und gedecktem Apfelkuchen, lauschen die Mitglieder des SPD-Bezirks Nord-Niedersachsen gespannt, in welche Zukunft das neue Führungsduo die SPD nun steuern will. Einige der überwiegend ergrauten Zuhörer tragen trotzig rote Aufkleber: "Sturmerprobt seit 1863" ist darauf zu lesen, ein Hinweis aufs SPD-Gründungsjahr.
Die verheerende Wirkung der "Sturmflut", die sich bei der Bundestagswahl über die SPD bundesweit ergossen hat, macht Daniela Behrens klar. "Wir sind an der Küste jetzt SPD-freie Zone", stellt die Unterbezirksvorsitzende ernüchternd fest. Von bislang vier direkt gewählten Bundestagsabgeordneten in dem einst tiefroten Bezirk sei nur noch ein einziger übrig geblieben. Und auch der habe es gerade noch mit letzter Kraft über die Liste geschafft.
Gabriel zeigt viel Selbstkritik. Doch erst einmal drischt er auf die neuen Regierenden in Berlin ein: In Union und FDP seien bei Gesundheit und Atomkraft "scheinheilige Spalter und richtige Ideologen" am Werk. Mit Steuergeschenken würden Leute überschüttet, "die es nicht nötig haben". Solche Sätze kommen im Publikum gut an.
Mehr Skepsis ist dagegen spürbar, was Gabriel zur Lage der eigenen Partei zu sagen hat. Ja, die sei dramatisch, analysiert er: "Uns fehlt der Nachwuchs." Es gebe auch zu wenige Frauen, Betriebsräte, Handwerker oder Elternvertreter. "Wir brauchen deren Alltagswissen." Die neue Parteispitze werde stärker auf die Mitglieder hören, kündigt der frühere niedersächsische Ministerpräsident an, auch wenn ja viele wüssten, dass er nicht der "geborene Basisdemokrat" sei. Dafür gibt es Gelächter.
Auch die künftige Generalsekretärin gibt sich reumütig. "Hier an der Küste darf man das ja sagen: Der Fisch stinkt vom Kopf her", scherzt Nahles, die mit einer Grippe angereist ist und nicht so richtig auf Touren kommt. "Wir beide werden die Grabenkämpfe in der SPD beenden", sagt sie unter beifälligem Nicken im Publikum.
Laut geäußerte Zweifel, ob der gescheiterte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wirklich der richtige Oppositionsführer im Bundestag ist, bringen Gabriel auf die Palme. "Der Frank", der sei einer "der klügsten Männer, die wir haben", kontert er.