Die Mediziner wehren sich gegen die Vorwürfe, die Krankenhäuser verteidigen die Modelle. Kassen wollen die Machenschaften veröffentlichen.
Hamburg. Dubiose Zahlungen für Ärzte. Insider sprechen von Fangprämien der Krankenhäuser. Mediziner selbst nehmen das Wort „Schmiergeld“ in den Mund: Die jetzt bekannt gewordene Affäre um die Graubereich der Honorare für gezielte Überweisungen aus einer Praxis in eine Klinik hat die deutsche Gesundheitspolitik in Aufregung versetzt und die Patienten beunruhigt. An diesem Freitag gibt es dazu ein Krisengespräch in Berlin.
Werde ich noch in das für mich beste Krankenhaus überwiesen? Das fragen sich jetzt viele Kranke vor dem Hintergrund der versteckten Zahlungen und verschleierten Honorare. Der SPD-Experte Karl Lauterbach, ein Alarmist ersten Ranges, sprach bereits von möglichen Todesfällen, wenn Patienten nicht in die richtige Klinik kämen. Doch das ist weit übertrieben. Es ist der übliche Reflex aus der Politik, auf die Ärzte und die Krankenhäuser einzudreschen.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundsvereinigung (KBV), Andreas Köhler, ist deshalb empört. Es sei unsäglich, wenn Ärzte unter Generalverdacht gestellt würden. Die Debatte verunsichere Patienten und müsse dringend sachlicher werden. Dabei würden verschiedene Dinge vermengt: Es gebe legale Verträge zwischen Krankenhäusern und Kassenärzten, etwa zur Behandlung nach Operationen. Dort seien Leistung und Bezahlung klar definiert. Nicht in Ordnung seien aber Prämien, die ohne Leistung nur für die Einweisung gezahlt würden. Die Ärztekammern gingen solchen Fällen aber nach.
Darüber hatte das Hamburger Abendblatt ausführlich berichtet. Ärzte erhalten dabei Honorare für das Ausfüllen von Bögen mit Patientenangaben, die auch die Kliniken selber von den Patienten einholen könnten. So werden Zahlungen an die Ärzte für gezielte Einweisungen verschleiert.
Kassenarzt-Chef Köhler gab aber zu, dass es Bestechung durch Kliniken in Form von „Motivationsprämie, Fangprämie, Kopfpauschale“ gebe. „Das ist Zuweisung gegen Entgelt, und das ist berufsrechtlich zu ahnden.“ Die Barmer Ersatzkasse, eine der größten gesetzlichen Kassen Deutschland, setzt sich dafür ein, dass bestechliche Kliniken und Mediziner öffentlich benannt werden. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, verlangte: „Diese Machenschaften müssen mit allem Nachdruck unterbunden werden. Wo Ärztekammern davon erfahren, können und müssen sie berufsrechtlich eingreifen.“
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International kritisierte: „Wir wissen seit Jahren, dass da viel Missbrauch im Busch ist und die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nachkommen.“ Auch bei Aufträgen zwischen Internisten und Röntgenärzten oder Zahnärzten und -laboren werde gekungelt, sagte Vorstand Anke Martiny dem „Tagesspiegel".
Verbraucherschützer raten Patienten zu einem kritischeren Umgang mit niedergelassenen Ärzten. „Wer sich einer planbaren Operation im Krankenhaus unterziehen will, sollte sich durch unabhängige Quellen informieren“, sagte der Gesundheitsexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Stefan Etgeton, der „Frankfurter Rundschau“. Als Beispiel nannte er das Krankenhaus-Suchportal „Weiße Liste“, das Qualitätsberichte von Kliniken aufbereitete. „Kliniktipps von Ärzten allein sind ohnehin nicht ausreichend, denn in der Regel empfehlen die Mediziner Krankenhäuser oft nur vom Hörensagen“, sagte Etgeton.