Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) wirft SPD Betrug vor. FDP-Chef Guido Westerwelle: Das SPD-Regierungsprogramm ist geschrieben für die Linksfront.
Berlin. Die SPD hat mit der an US-Vorbilder angelehnten Präsentation ihres Regierungsprogramms im Berliner Tempodrom dem Wahlkampf neuen Auftrieb gegeben und politische Gegner wie potenzielle Koalitionspartner aus der Reserve gelockt. So warf Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU), der am 30. August eine Landtagswahl bestehen muss, der SPD wegen ihres Kurses im Umgang mit der Linkspartei Wählerbetrug vor: "Die Aussage der Bundes-SPD, bis 2013 kein Bündnis mit der Linkspartei auf Bundesebene eingehen zu wollen, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis", sagte er dem Abendblatt. "Denn die Situation auf Landesebene zeigt: Wenn es eine Mehrheit für Rot-Rot gibt, wird sie auch genutzt."
Müllers Fazit: "Der Versuch, mit einem SPD-Wahlprogramm Geschlossenheit zu vermitteln, ist auf der ganzen Länge gescheitert. Kandidat Steinmeier steht an der Spitze einer auf der ganzen Linie zerstrittenen Partei." Er gehe "fest davon aus", dass die Union mit einem gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU antrete. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Die Unionsparteien lassen sich Zeit, wollen erst im Juni den Entwurf eines gemeinsamen Regierungsprogramms vorstellen.
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) verteidigte diesen Zeitplan gegenüber dem Abendblatt als "völlig richtig". "Wir können und müssen vor der Verabschiedung unseres Regierungsprogramms noch die weitere wirtschaftliche Entwicklung abwarten. Denn es gilt: Je aktueller, desto überzeugender", sagte Bosbach. "Es kommt nicht auf Wahlkampf à la Obama an, sondern einzig darauf, überzeugende Antworten auf die Frage zu geben, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes erhalten werden kann." Die Schlüsselwörter seien Kompetenz und Integrität, so Bosbach. Im sogenannten Linksruck der SPD, die unter anderem den Spitzensteuersatz von 45 auf 47,5 Prozent erhöhen will, sieht er Vorteile für den Wahlkampf: "Diese Partei hat das Projekt ,Neue Mitte' beerdigt. Das macht die Alternativen umso klarer: Wer Steuererhöhungen und Umverteilung von oben nach unten will, soll SPD wählen - wer für die Entlastung der mittleren Einkommen ist, macht sein Kreuz bei der Union."
Die Linke tat die programmatische Akzentverschiebung der SPD als "verbales Linksrückchen" ab, wie Geschäftsführer Dietmar Bartsch es formulierte. Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise wie eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um zwei Prozent seien keine Lösung, sagte Bartsch. Das Hauptproblem des Programms sei, dass die SPD die Verantwortlichen der Krise nicht erkenne. Die SPD habe das Land in den vergangenen zehn Jahren regiert, davon sieben Jahre in Kanzlerschaft. Sie habe die Rente mit 67 Jahren und den Gesundheitsfonds beschlossen.
FDP-Chef Guido Westerwelle sagte nach der Lektüre des SPD-Wahlprogramms: "Auf dieser Basis wird es keine Zusammenarbeit mit meiner Partei geben." Und: "Dieses Programm ist geschrieben für die Linksfront."
Die vorgesehene Steuerpolitik ginge zulasten des Mittelstands, meinte er. Es sei absurd, dass die SPD dies mit den Liberalen durchsetzen wolle. "Wir halten dies für eine bedauerliche Fehlentwicklung", sagte er. Die Sozialdemokraten wollen nach der Bundestagswahl im September als Alternative zur Großen Koalition die FDP für eine Ampel-Koalition gewinnen. Dafür zeigte sich Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin offen. Er habe "immer gesagt", dass eine Ampelkoalition die realistischste Option sei, sagte er - und kündigte gleichzeitig an, dass seine Partei ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP klar ablehnt.