Ehemaliger Häftling will in Berlin am Theater arbeiten. Buback-Sohn beklagt fehlende Rücksichtnahme.
Hamburg. Am Freitag um acht Uhr begann für Christian Klar ein neuer Lebensabschnitt. Der frühere RAF-Terrorist ist nach 26 Jahren im Gefängnis wieder auf freiem Fuß. Der 56-Jährige habe die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlassen und sei abgeholt worden, bestätigte sein Hamburger Anwalt Heinz-Jürgen Schneider dem Abendblatt. "Christian Klar kann ab jetzt selbst bestimmen, was er macht und wo er das machen möchte", so Schneider.
Zunächst wird Klar in Berlin leben. "Ein solcher Umzug ist auch keine Überraschung", sagte Schneider. Klar werde dort von einem Bewährungshelfer betreut. Das Berliner Ensemble verwies darauf, dass das Angebot an Klar für ein Praktikum als Bühnentechniker weiterhin besteht. "Es liegt an Christian Klar, ob er es annimmt oder nicht", sagte eine Sprecherin des Theaters dem Abendblatt. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach sich gegen ein solches Praktikum aus. "Ich hätte die Entscheidung so nicht getroffen", sagte er.
Der Schauspieler Rolf Becker, der Klar seit Januar 2001 immer wieder im Gefängnis besucht hat, sagte dem Abendblatt: "Ich bin sehr froh und habe heute schon mit ihm telefoniert." Sein Eindruck: "Christian Klar wird noch lange brauchen, um sich wieder einzuleben."
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte am 24. November entschieden, dass Klar nach Ablauf seiner Mindesthaftzeit zum 3. Januar 2009 auf Bewährung entlassen werden muss. Laut Bundesanwaltschaft gilt er heute nicht mehr als gefährlich.
Dass Klar schon zwei Wochen früher die Haftanstalt verlassen kann, beruht nach Auskunft seines Anwaltes auf Paragraf 43 des Strafvollzugsgesetzes. Wer im Gefängnis arbeite, bekomme auch sogenannte Freistellungstage. "Die wurden angerechnet und entsprechend von der noch verbleibenden Haftzeit abgezogen." Deshalb habe Christian Klar schon seit einigen Tagen gewusst, dass er an diesem Freitag frei komme, sagte Schneider dem Abendblatt. Der Anwalt kündigte an, Klar werde nicht die Öffentlichkeit suchen. "Er wird nicht in Talkshows auftreten und auch keine Interviews geben", so Schneider.
Der einstige Terrorist war länger als jedes andere RAF-Mitglied im Gefängnis. Klar war an den Mordanschlägen auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto sowie an der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer beteiligt.1985 war Klar wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden, 1992 kam eine weitere Verurteilung hinzu. In der Öffentlichkeit hatte die Entlassungsentscheidung Ende November zu heftigen Kontroversen geführt, weil Klar keine Reue zeigt und sein Wissen über Details von Anschlägen nicht preisgibt. Sein Gnadengesuch hatte Bundespräsident Horst Köhler im vergangenen Jahr abgelehnt. Jetzt ist Birgit Hogefeld als einziges Ex-RAF-Mitglied noch in Haft.
Während Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Klar-Freilassung als "rechtsstaatlich vorgesehenes Verfahren" bezeichnete, kritisierte der Buback-Sohn Michael, dass er von der Entlassung Klars aus den Medien erfahren habe. "Leider gibt es mehrere Beispiele dafür, dass auf die Angehörigen der Opfer nicht viel Rücksicht genommen wird", sagte der Göttinger Chemie-Professor. Er habe zwar nicht vor, Kontakt mit Klar aufzunehmen. "Wenn mich Christian Klar anrufen würde, um mir seine oder die Tatbeteiligung anderer zu schildern, würde ich selbstverständlich mit ihm reden", so Buback.