Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat die Entscheidung des hessischen SPD-Landesverbands, den Abgeordneten Thorsten Schäfer-Gümbel zum Spitzenkandidaten zu ernennen, scharf kritisiert. “Es sollte zweimal ...
Hamburg. Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat die Entscheidung des hessischen SPD-Landesverbands, den Abgeordneten Thorsten Schäfer-Gümbel zum Spitzenkandidaten zu ernennen, scharf kritisiert. "Es sollte zweimal nachgedacht werden, bevor man Entscheidungen trifft", sagte Schily im Interview des Hamburger Abendblatts (Montagausgabe). "Ich hätte es zum Beispiel begrüßt, wenn die Genossen in Hessen einen Moment länger überlegt hätten, wen sie bei der Neuwahl anstelle von Frau Ypsilanti an die Spitze stellen." Er kenne "Persönlichkeiten, die für die Spitzenkandidatur sehr geeignet gewesen wären", betonte Schily.
Zugleich forderte der frühere Bundesminister seine Partei auf, Bündnisse mit der Linkspartei auch in den Ländern zu vermeiden. "Wenn es irgendwie geht, muss Rot-Rot vermieden werden", sagte er. "Länder haben über den Bundesrat auch Einfluss auf die Bundespolitik. Bekanntlich lässt sich hier gar nicht so leicht eine Trennlinie ziehen." Er empfahl die Reihenfolge: "Erst um eine eigene Mehrheit kämpfen, dann mit den Grünen oder auch der FDP verhandeln, danach mit der CDU." Schily betonte: "Rot-Rot sollte die Farbkombination sein, die wir zuallerletzt in Betracht ziehen. Und bevor die SPD über mögliche Koalitionen diskutiert, sollte sie sich zunächst mit sich selbst befassen. Es ist verheerend, dass wir in Umfragen derzeit bei unter 30 Prozent rangieren."
Hier ein Auszug aus dem Interview
Hamburger Abendblatt: Herr Schily, was bedeutet die in Hessen ausgelöste Krise für die Sozialdemokraten?
Otto Schily: Der Irrtum von Frau Ypsilanti war ihre Vorstellung, sie habe die Wahl gewonnen, obwohl sie sie knapp verloren hat. Sie hat ohne Zweifel einen guten Wahlkampf gemacht. Nur alles, was danach passierte, war nicht so meisterhaft. Ich hätte an ihrer Stelle weil sich die FDP einer Ampelkoalition verweigert hat der CDU eine Große Koalition angeboten, allerdings nicht mit Roland Koch an der Spitze, sondern zum Beispiel mit Petra Roth als Ministerpräsidentin. Ich bin ganz entschieden dagegen, in Hessen mit der Linken zu paktieren. Aber Sie wissen, es gilt die Regel: Die Landesverbände entscheiden selbst. Jetzt über die Folgen zu lamentieren, macht wenig Sinn.
Abendblatt: Welche Lehren ergeben sich aus dem Chaos in Hessen für Ihre Partei?
Schily: Es sollte zweimal nachgedacht werden, bevor man Entscheidungen trifft. Wir müssen Selbstkritik üben, dürfen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich hätte es zum Beispiel begrüßt, wenn die Genossen in Hessen einen Moment länger überlegt hätten, wen sie bei der Neuwahl anstelle von Frau Ypsilanti an die Spitze stellen.
Abendblatt: Sie meinen die Entscheidung für den politischen Nobody Thorsten Schäfer-Gümbel. Kennen Sie ihn?
Schily: Nein. Aber ich kenne Persönlichkeiten, die für die Spitzenkandidatur sehr geeignet gewesen wären. Ich werde jedoch keine Namen nennen.
Abendblatt: Teilen Sie die Auffassung, dass Linksbündnisse überall möglich sein müssen mit Ausnahme des Bundes?
Schily: Nein. Wenn es irgendwie geht, muss Rot-Rot vermieden werden. Länder haben über den Bundesrat auch Einfluss auf die Bundespolitik. Bekanntlich lässt sich hier gar nicht so leicht eine Trennlinie ziehen. Es gilt immer noch die Reihenfolge: Erst um eine eigene Mehrheit kämpfen, dann mit den Grünen oder auch der FDP verhandeln, danach mit der CDU.
Abendblatt: Jedenfalls schließen Sie rot-rote Bündnisse nicht kategorisch aus.
Schily: Ich schließe auch nicht aus, dass mir in diesem Gebäude der Putz auf den Kopf fällt. Es bleibt dabei: Rot-Rot sollte die Farbkombination sein, die wir zuallerletzt in Betracht ziehen. Und bevor die SPD über mögliche Koalitionen diskutiert, sollte sie sich zunächst mit sich selbst befassen. Es ist verheerend, dass wir in Umfragen derzeit bei unter 30 Prozent rangieren.
Lesen Sie das komplette Interview in der morgigen Abendblatt-Print-Ausgabe