BERLIN. Ein Anruf beim Arzt, eine E-Mail an einen Kollegen, die SMS eines Bekannten: Die geplante Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten betrifft fast jeden Bürger etliche Male am Tag. Nach dem Willen der Großen Koalition sollen Telefon- und Internetanbieter künftig die Verbindungsdaten ihrer Kunden ein halbes Jahr lang speichern.
Heute soll der Gesetzentwurf im Justizausschuss des Bundestages beraten werden. Schon am Freitag sollen die Parlamentarier der Änderung zustimmen. Zwar können Behörden schon lange die Kommunikation überwachen und E-Mails mitlesen und Telefonate abhören. Doch dies betrifft Verdächtige. Mit der Gesetzesänderung zum 1. Januar werden Daten von Millionen Bürgern ohne Verdacht vorsorglich gespeichert.
Das Vorhaben von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) stößt deshalb auf Widerstand bei Datenschützern, Bürgerrechtlern und Politikern der Opposition. Sie befürchten, dass mit der Vorratsdatenspeicherung der Bürger noch durchsichtiger wird. Die Bundesregierung verweist darauf, dass die Inhalte von Telefonaten, E-Mails oder Kurznachrichten nicht betroffen sind.
Der Deutsche Anwaltverein rechnet mit einer Verfassungsklage. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor einer totalen Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht, wenn der Patient damit rechnen müsse, in der Arztpraxis abgehört zu werden. "Kein potenzieller Straftäter redet mit seinem Arzt über seine Straftaten. Er redet mit ihm vielleicht über seine Sünden."
Der Deutsche Journalistenverband warnte vor Folgen für die Pressefreiheit. "Wo werden sich dann noch Informanten finden, die sich mit Journalisten unterhalten, damit die Journalisten investigativ arbeiten können? Das geht dann eigentlich nur noch auf der Parkbank", sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken.
Die Polizeigewerkschaften verteidigten das Gesetzesvorhaben und nannten die Angst vor einem "gläsernen Bürger" unbegründet. "Der Bürger kann sicher sein, dass die Polizei verantwortungsvoll mit diesen Daten umgeht", versicherte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg.
Sollte die Regelung wie geplant in Kraft treten, laufen nach kurzer Zeit gigantische Datenmengen auf. Werden Mobiltelefone benutzt, müssen Telekommunikationsfirmen sogar die Orte speichern, in denen sich Anrufer und Angerufener aufhalten.
Verbindungen erkennen, Profile erstellen - darauf hoffen Behörden bei Ermittlungen gegen Mafia-Kriminalität und Terroristen. So plädierte das deutsche Bundeskriminalamt sogar für eine Speicherfrist von mindestens einem Jahr, weil Terroristen und kriminelle Organisationen ihre Taten über längere Zeit planten.
Kritiker halten dem entgegen, dass Kriminelle die Überwachung leicht umgehen könnten. Telefonzellen werden von der neuen Regelung nicht erfasst, und auch in Zukunft kann man in Internetcafes anonym kommunizieren.