"Gnade vor Recht" sprechen dürfen in Deutschland nur der Bundespräsident und die Ministerpräsidenten der Länder. In Hamburg, Bremen und Berlin entscheidet der Senat über die Begnadigung von Straftätern. Der Bundespräsident ist zuständig, sobald es um Staatsschutzdelikte, also politische Straftaten wie Terrorismus oder Spionage geht. In allen übrigen Fällen liegt die Kompetenz bei den Ländern.
Das Gnadenrecht geht auf das sogenannte "Gottesgnadentum" der Könige des frühen Mittelalters zurück. Herrscher seien damals noch erfüllt gewesen "von der Weihe einer charismatischen Barmherzigkeit", heißt es in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1969.
Wird ein Täter begnadigt, bedeutet das nicht immer die sofortige Freilassung. Der Gnadenakt kann auch darin bestehen, dass die Haftstrafe nur verkürzt wird. Ob der Bundespräsident einen Straftäter begnadigt oder nicht, liegt ganz in seinem Ermessen. Die Entscheidung kann nicht angefochten werden. Die Reue des Täters ist keine Voraussetzung. Als ungeschriebene Regel gilt jedoch, dass ein Gnadenakt ein Urteil nicht aushöhlen darf. Deshalb muss der Täter zunächst eine angemessene Strafe verbüßt haben. Wie der Bundespräsident mit einem Gnadengesuch verfährt, bleibt ihm ebenfalls überlassen. Er kann sich öffentlich erklären oder es bei einer knappen Mitteilung belassen. Damit der Gnadenakt wirksam wird, muss er vom Bundesjustizminister unterzeichnet werden. Bislang haben die Bundesjustizminister stets zugestimmt.