Interview mit dem Chef des Vorstands der Dresdner Bank, Herbert Walter
ABENDBLATT: Was hat die Dresdner Bank bewogen, diese Studie in Auftrag zu geben?
HERBERT WALTER: Rund um unser 125jähriges Bestehen der Dresdner Bank im Jahr 1997 hatte es massive Kritik in den Medien gegeben, weil im Rahmen der Feierlichkeiten über die NS-Zeit kaum gesprochen worden war. Das nahm sich die Bank zu Herzen. Daraufhin hatte sie unabhängige Wissenschaftler das komplette historische Material sichten lassen. Bestärkt wurden wir in diesem Vorhaben schließlich auch durch die Diskussion über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Die Dresdner Bank war ja dann auch am Zustandekommen des Entschädigungsfonds für NS-Opfer beteiligt.
ABENDBLATT: Welche Ergebnisse haben Sie am meisten beeindruckt?
WALTER: Für mich war frappierend zu lesen, in welch kurzer Zeit in einem Unternehmen ein intoleranter, feindseliger Geist gegenüber einer Gruppe von Mitarbeitern einziehen kann. In den Führungsgremien der Dresdner Bank saßen bis 1933 viele Manager jüdischer Abstammung. Sie wurden innerhalb von nur wenigen Monaten aus dem Unternehmen gedrängt. Genauso bewegt haben mich aber auch die zahlreichen Einzelschicksale, von denen die Studie berichtet.
ABENDBLATT: Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich, welche die Bank aus der Untersuchung?
WALTER: Das Verhalten der Unternehmer und Manager in der NS-Zeit wird oft als ein "Versagen der Eliten" bezeichnet. Das trifft in vielerlei Hinsicht sicherlich zu. Wir als nachfolgende Generationen müssen daraus lernen, daß wir ohne fest verankerte moralische Grundwerte vor einem Rückfall in die Barbarei nicht gefeit sind. Wir müssen begreifen, daß wir eine ganz besondere Verantwortung in unserem Staat tragen. Das gilt für jeden einzelnen Mitarbeiter, besonders für die Führungsebene. Wir nehmen diese Verantwortung ernst.
ABENDBLATT: Gehört der von Ihrem Haus maßgeblich unterstützte Victor-Klemperer-Jugendwettbewerb zu diesen Maßnahmen?
WALTER: Ja. Wir haben den jährlich stattfindenden Klemperer-Wettbewerb bereits vor fünf Jahren ausgeschrieben. Wir wollen damit mehr als nur ein Zeichen für Demokratie, Toleranz und Völkerverständigung setzen: Junge Menschen sollen über die Schrecken der Vergangenheit aufgeklärt werden und lernen, daß sich jeder einzelne für unser demokratisches Staatswesen einsetzen muß.
Zudem haben wir 2003 die Eugen-Gutmann-Gesellschaft gegründet, deren Vorstandsvorsitzender ich bin. Die Gesellschaft fördert die Beschäftigung mit der Bankengeschichte, besonders derjenigen der Dresdner Bank. Zu unserem Engagement gehört auch unsere Hilfe beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, als Symbol des Friedens und der Versöhnung.
ABENDBLATT: Brauchen wir eine ständige Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte?
WALTER: In der Tat. Die Studie leistet eine dringend nötige Aufarbeitung. Nur so wird eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte möglich, nur so können wir auch die entsprechenden Lehren aus ihr ziehen.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit über die Dresdner Bank, aber auch entsprechende Studien über andere Unternehmen müssen für uns deshalb eine Mahnung sein: Daß wir uns immer wieder unsere Verantwortung für unser Gemeinwesen neu ins Gedächtnis rufen.
ABENDBLATT: Von der Vergangenheit zur Zukunft: Durch welche Maßnahmen können Unternehmen, speziell Banken, mithelfen, die Demokratie zu festigen und Intoleranz zu bekämpfen?
WALTER: Banken haben mehr als Unternehmen anderer Branchen vielfältige Beziehungen zu ganz unterschiedlichen Wirtschaftszweigen. Sie tragen deshalb für ein demokratisches Gemeinwesen eine besondere Verantwortung und haben oftmals eine Vorbildfunktion.
Gerade deshalb ist es so wichtig, daß sie in ihrem gesellschaftlichen Engagement mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu gehören Initiativen wie die zur Einrichtung des zukunftsorientierten Fonds im Rahmen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft", der Victor-Klemperer-Preis, aber auch die finanzielle Unterstützung von Schulen, Universitäten und Jugendprojekten, in denen junge Menschen zu weltoffenen, toleranten Bürgern erzogen werden.