Rücktritt - Hunzinger-Kredit, Flugmeilen und Gerüchte um einen Wohnungskauf: Der Grünen-Politiker war nicht mehr zu halten.
Berlin. Die erste nennenswerte Affäre um Begünstigung eines Grünen-Politikers hat am Freitag zur Kapitulation von Cem Özdemir geführt. Eine Woche lang stand der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion im grellen Scheinwerferlicht. Er hatte Anfang 1999 ein äußerst zinsgünstiges 80 000-Mark-Darlehen vom umstrittenen PR-Berater Moritz Hunzinger angenommen. Dass er den Kredit nach dem Auffliegen der Verbindung zu Hunzinger ablöste und auch sonst die Flucht nach vorn antrat, hat am Ende nichts mehr genutzt. Özdemir hatte öffentlich "einen großen Fehler" eingestanden und die Vergünstigung des Hunzinger-Kredits durch eine besonders großzügige Spende von 5200 Euro für Folteropfer wettzumachen versucht. Danach waren Parteivorstand und Fraktion bereit, die "politische Eselei" für erledigt zu erklären. Am Donnerstagnachmittag dann kursierten Gerüchte, wonach Özdemir unberechtigt dienstlich erworbene Bonusmeilen für private Flüge genutzt habe. "Diesen Vorwurf kann ich nicht entkräften", sagte der 36-Jährige dann am Freitag in seinem knapp vierminütigen Abschiedsauftritt. Im Bundestag gibt es eine Vereinbarung, diese Bonuspunkte nur dienstlich zu verwenden. Blass und gefasst hatte er zuvor verlesen, er habe Fraktionschef Rezzo Schlauch und den Parteivorsitzenden Fritz Kuhn informiert, dass er sein Amt als innenpolitischer Sprecher sofort niederlege und nach der Wahl auch nicht mehr in den Bundestag zurückkehren werde. Schlauch und Kuhn zollten ihm Respekt für seine Entscheidung. Der Rücktritt Özdemirs sei ein "Verlust für das Parlament insgesamt und für Bündnis 90/Die Grünen im Besonderen". Der Sohn türkischer Einwanderer galt als einer der profiliertesten Bundespolitiker der Grünen. Der gelernte Erzieher und studierte Sozialpädagoge hat sich vor allem in der Innenpolitik einen Namen gemacht. Zum Vorwurf der unlauteren Verwendung der Bonusmeilen sagte Kuhn, dies sei "allein wahrscheinlich kein Rücktrittsgrund". Özdemir habe sich aber "in der Summe" nicht in der Lage gesehen, seine Arbeit im Bundestag fortzusetzen. Zu Fragen, ob es weitere Vorwürfe gegen Özdemir gebe, wollte sich Kuhn nicht äußern. Es habe "auf der Ebene von Spekulationen Gerüchte über einen Wohnungskauf" gegeben, sagte der Grünen-Chef. Dazu werde er sich aber "nicht näher auslassen". Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte, der Rücktritt Özdemirs sei unausweichlich gewesen. "Die Raffgier Einzelner bringt alle Politiker in Verruf", kritisierte Bosbach. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel erklärte: "Die Zerfallserscheinungen bei Rot-Grün nehmen 59 Tage vor der Bundestagswahl weiter zu." PDS-Bundesgeschäftsführer Dieter Bartsch forderte, alle Abgeordneten müssten Nebeneinkünfte und Beziehungen zu Lobbyisten noch vor der Wahl am 22. September offen legen.