Triumph für die SPD, Debakel für die CDU in Nordrhein-Westfalen. Rot-Grün kann weiterregieren. Die FDP ist wieder im Aufwärtstrend.
Kantersieg für Rot-Grün, historisches Debakel für die CDU, Triumph für die FDP: Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben sich Sozialdemokraten und Grüne die bisher fehlende Mehrheit eindeutig gesichert - ein klares Warnsignal auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Rot-Grün können nun auf stabiler Basis weiterregieren.
+++ Nur Röttgen hat Schuld an der Niederlage +++
+++ Rot-Grün erlebt Renaissance am Rhein +++
"Es ist ein so tolles Gefühl, nach zwölf Jahren das erste Mal wieder vorne zu sein", sagte Kraft kurz nach den ersten Hochrechnungen mit Tränen in den Augen. Zugleich macht sie klar, dass sie eine Kanzlerkandidatur und damit einen Wechsel nach Berlin bisher ausschließt. "Ich widerstehe da, weil ich auch hier mein Wort gegeben habe, dass ich bleibe."
Alles zur NRW-Wahl: Das sind die Spitzenkandidaten:
+++ Hannelore Kraft – Kind aus dem Revier mit Bodenhaftung +++
+++ Norbert Röttgen – Eher Klassenprimus als Kumpel +++
+++ Sylvia Löhrmann – Ministerin mit Spaß an schwierigen Aufgaben +++
+++ Christian Lindner – Schon mit 33 Jahren Star der Liberalen +++
+++ Joachim Paul – Freundlicher Oberpirat aus Neuss +++
Die CDU unter ihrem Spitzenkandidaten Norbert Röttgen dagegen stürzte auf ein historisches Tief an Rhein und Ruhr. Röttgen räumte schon Minuten nach Schließung der Wahllokale seine Niederlage ein und erklärte seinen Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender. Das Ergebnis "tut richtig weh", sagte der Bundesumweltminister. Das hätte er nicht sagen müssen, das sieht man ihm an. Er übernahm die "uneingeschränkte Verantwortung" für das Wahldebakel seiner Partei: "Das ist zuallererst meine persönliche Niederlage." Röttgen hatte bis zuletzt offengelassen, ob er bei einer Wahlschlappe Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag wird.
Die im Bund schwer angeschlagene FDP mit ihrem Hoffnungsträger Christian Lindner dagegen kehrt noch deutlicher als vor einer Woche in Schleswig-Holstein in die Erfolgsspur zurück. Die Piraten ziehen zum vierten Mal in Folge in ein Landesparlament ein. Die Linke dagegen ist raus.
Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland mit 13,2 Millionen Wahlberechtigten ist in diesem Jahr das wichtigste Signal vor der Bundestagswahl im Herbst 2013. Der Aufwind für Rot-Grün bei der "kleinen Bundestagswahl" dürfte es Kanzlerin Merkel und ihrer schwarz-gelben Koalition noch schwerer machen - auch wenn sich im Bundesrat nichts ändert.
Hannelore Kraft sagte: "Das ist ein klares Signal nach Berlin." Für Grünen-Chefin Claudia Roth ist Rot-Grün jetzt ebenfalls "möglich im Bund". Auch Merkels Politik sei abgewählt worden.
Die Forschungsgruppe Wahlen befand in ihrer Analyse, in Nordrhein-Westfalen habe Rot-Grün gezeigt, dass trotz Konkurrenz durch die Piraten eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb möglich sei. Das Ergebnis sage aber "noch lange nichts darüber aus, wie die Bundestagswahl ausgeht". Auch nach Ansicht Röttgens ist es nicht übertragbar: "Ich glaube, dass im Bund die Lage eine andere ist. Es sind zwei unterschiedliche Ebenen."
Der Bundesvorsitzende der Piraten, Bernd Schlömer, sieht seine Partei nach dem Erfolg in Nordrhein-Westfalen nun nicht mehr nur als Oppositionspartei. "Wir übernehmen mittelfristig Verantwortung für Entscheidungen und auch zum Regieren", sagte er dem Abendblatt. "Im bevölkerungsstärksten Land sind mehr als sieben Prozent der Stimmen ein Zeichen dafür, dass die Piraten sich nun endgültig im Parteiensystem etabliert haben." (HA)