Eine Politikerin in ihrem Element: Im Landtagswahlkampf setzt die nordrhein-westfälische SPD ganz auf Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Und die „Landesmutter“ genießt das Bad in der Menge.
Bielefeld. „Straßenwahlkampf macht mir Spaß“, behauptet Hannelore Kraft und bahnt sich mühsam eine Gasse durch die Menge. Überall an diesem Tag das gleiche Bild. Bussi links, Bussi rechts, Umarmungen, spontaner Beifall von Passanten und ein offenes Ohr für die Sorgen. Ein Rentner legt der SPD-Spitzenkandidatin in Bielefeld die Hand auf die Schulter: „Endlich eine Kandidatin zum Anfassen.“ „Das hier ist mir lieber, als in wenigen Tagen ein Wahlprogramm zusammenzuschreiben“, versichert die 50-Jährige.
Kraft macht an diesem Tag alles mit: Die amtierende nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin lässt sich umarmen, aufhalten, mit Dutzenden wildfremder Menschen fotografieren, streichelt Kinder und Hunde, verschenkt rote Rosen und singt, begleitet von einer 74-Jährigen auf der Mundharmonika, „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Die Menschen danken es ihr, nur wenige wenden sich ab, wenn sich der Pulk aus Fans und Kamerateams durch die Fußgängerzonen wälzt.
Samstag 10.00 Uhr, Mülheim Ruhr, Hannelore Krafts Heimatstadt. Hier ist sie geboren, hier hat sie schon zweimal ihren Wahlkreis gewonnen. Es ist noch kühl. „Willkommen zum Turbo-Wahlkampf“, ruft Kraft von der Bühne herunter. Am 13. Mai wird der neue Landtag gewählt, die Zeit ist knapp. In Mülheim geht sie gezielt auf Arbeitsplätze ein und warnt vor überhöhten Energiepreisen, die der Metallindustrie in der gebeutelten Region schaden könnten. Auch den Streit über die Unterstützung für die ostdeutschen Bundesländer spricht Kraft an. „Es darf nicht nach Himmelsrichtung gehen, sondern nach Bedürftigkeit“, fordert sie. Beifall.
Immer wieder sucht Kraft die Balance zwischen Sparen und Investieren. Die rot-grüne Minderheitsregierung habe gespart, die Neuverschuldung halbiert. „Und wir wollen die Null-Schulden-Grenze 2020 einhalten.“ Auf der anderen Seite präsentiert sich die Hannelore Kraft des vorsorgenden Staates. „Bildung ist das Wichtigste“, wiederholt sie unermüdlich. „Dafür lasse ich mich auch als Schuldenkönigin beschimpfen.“
Gelsenkirchen, 12.00 Uhr. Über den Platz weht der Geruch von Grillwürstchen. Wenige Stunden vor dem 140. Revierderby Schalke-Dortmund muss Kraft (natürlich) auf eine Torwand schießen. Fotografen drängen sich in die Schussbahn. Kraft lupft nicht, sie schießt geradlinig. Der Ball bleibt in der „Mauer“ hängen. Jetzt drängt die Landesmutter weiter und die Fotografen beiseite: „Macht mal Platz, damit wir auch mal einem Bürger begegnen.“ SPD-Helfer blasen herzförmige Luftballons per Gasflasche auf, ab und zu knallt es. Immer wieder nimmt sie sich Zeit, auch für die 25-Jährige Demet Akkur. „Die hat die Antworten nur so runtergerattert“, wundert die sich danach. Es ziehe sie aber mehr zur Piratenpartei.
Die dürfte auch in NRW zulegen. Und wenn es dann nicht mehr für Rot-Grün reicht? „Darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken, versichert Kraft. „Hannelore, sieh mal zu, dass du Opel sicherkriegst“, ruft ein Mann aus der Menge. Francisco Ortega ist 1960 aus Spanien hergekommen, hat über 40 Jahre bei Opel gearbeitet und fürchtet nun um sein altes Unternehmen.
Die Szenen wiederholen sich in Münster und Bielefeld. Kurze Gespräche, ein Foto vor dem Espresso-Wagen der Bielefelder SPD mit der Aufschrift „schwarz trinken, rot wählen!“. Erst als die letzte der zahlreichen roten Rosen verteilt ist, gibt sich Hannelore Kraft zufrieden. „Und nicht vergessen, am 13. Mai wählen, ganz wichtig.“
(dpa)