Eine neue Meldebehörde für Benzinpreiserhöhungen soll die Tankstellen stärker kontrollieren. Doch es gibt Zweifel, ob das ganze was taugt. Die Branche warnt: Der Mehraufwand wird auf die Spritpreise umgelegt. Fragen und Antworten auf abendblatt.de.
Berlin. Die starken Preissprünge an Tankstellen sollen von einer neuen Meldebehörde stärker kontrolliert werden. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin, um bei zu hohen Preisen schneller eingreifen zu können. Die Betreiber der rund 14 700 Tankstellen in Deutschland müssen künftig detailliert Auskunft geben, wann und in welchem Umfang sie die Preise an den Zapfsäulen erhöhen oder senken. Außerdem müssten sie der Markttransparenzstelle melden, welche Mengen an Treibstoffen sie wo und wie teuer eingekauft haben.
Die Regierung will damit wegen der hohen Benzinpreise Missbrauch eindämmen. Die Mineralölbranche ist wegen des Aufwands gegen eine solche „Benzin-Polizei“. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wies Vorwürfe zurück, er schaffe ein „Bürokratie-Monster“. „Als Bundeswirtschaftsminister geht es mir selbstverständlich auch darum, die Wirtschaft möglichst vor unnötigen bürokratischen Mehrbelastungen zu bewahren.“ Für die Autofahrer sei das Auf und Ab der Benzinpreise nicht nachvollziehbar. „Deshalb wollen wir Transparenz und Wettbewerb stärken“, betonte Rösler.
Die Kartellwächter könnten mit den Ein- und Verkaufspreisen besser Anhaltspunkte für mögliche Verstöße finden. „Das wird die Position der mittelständischen freien Tankstellen verbessern und den Wettbewerb stärken“, meinte Rösler. Die neue Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt soll auch die Preisbildung bei Strom und Gas überwachen.
Doch selbst die freien Tankstellen sind gegen die Meldebehörde und sprechen von einem „Schnellschuss mit verheerenden Auswirkungen für den Mittelstand“. „Mit dieser staatlichen Vorratsdatenspeicherung werden weder die Preise gesenkt, noch werden Preisschwankungen verhindert“, sagte Steffen Dagger, Geschäftsführer des Dachverbandes MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland. Datensammeln habe keinerlei Auswirkungen auf den Verbraucher. „Es belastet gerade den Mittelstand mit zusätzlichen Kosten und schwächt ihn so im Wettbewerb gegen die Großen der Branche.“
Auch der Mineralölwirtschaftsverband als Sprachrohr für die großen Mineralölkonzerne kritisierte die Pläne scharf. Auf jeden einzelnen Tankstellenbetreiber würden zusätzliche Kosten zukommen, die letztlich weiter preistreibend wirken dürften. Der ADAC hingegen begrüßte die schärfere Kontrolle, um die Preispolitik stärker unter die Lupe zu nehmen. Denn im April hätten die Fahrer von Benzin-Autos so viel für ihren Sprit bezahlen müssen wie noch nie.
+++Keine Preisbindung – Eingriffe sind "Unsinn"+++
+++Rösler fordert strengere Kontrolle der Mineralölkonzerne+++
Ein riesiges neues Meldesystem soll helfen, die mehrmals täglichen Preissprünge an Tankstellen stärker unter die Lupe zu nehmen. Die Politik schürt Hoffnung, dass so der Benzinpreis in den Griff zu bekommen sei. Die Mineralölbranche sieht das anders.
Was soll die Meldebehörde tun?
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch neben einer Überwachung der Strom- und Gasgeschäfte auch die Einrichtung einer „Markttransparenzstelle“ für den Mineralölsektor beschlossen. Künftig sollen Monat für Monat Millionen Daten dorthin gemeldet werden – und zwar nicht einfach nur Preiserhöhungen. Auch Händler und Raffinerien müssen ihre Preise, zu denen sie Rohöl oder Kraftstoffe ein- und verkaufen, offenlegen. Zudem sollen alle gehandelten Mengen und deren Preise gemeldet werden. Die beim Bundeskartellamt angesiedelte Stelle soll so unbotmäßige Erhöhungen und Preisexzesse erkennen und ahnden können, erklärt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).
Kann das die Preissprünge eindämmen?
Wohl kaum, denn der Preis an der Tankstelle ist von der Politik kaum zu beeinflussen. Szenarien wie ein möglicher Angriff Israels auf den Iran und sinkende Förderquoten treiben den Ölpreis – das kann eine neue Behörde nicht beeinflussen. Die Gewinnmargen liegen nach Angaben der Ölbranche meist nur bei einem Cent pro Liter – allerdings verdient sie auch gut mit ihren Raffinerien. Weil die Marktführer den Großteil der Produktionskette unter ihrer Kontrolle haben, gibt es viele Möglichkeiten, Gewinne einzustreichen. Viele Tankstellen verdienen das meiste Geld inzwischen mit ihrem Shopgeschäft. Der Auto Club Europa sieht ein Wahlkampfmanöver vor den anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, aber keine Initiative für mehr Verbraucherschutz und fairen Preiswettbewerb an Tankstellen.
Gab es in der Vergangenheit Indizien für einen Missbrauch?
Das Bundeskartellamt hatte 2011 eine dreijährige Marktanalyse abgeschlossen – und konnte zumindest keine illegalen Preisabsprachen nachweisen. Zudem ist fraglich, was bei einem Missbrauch passieren soll. Derzeit gehen die Wettbewerbshüter gegen mehrere Mineralölkonzerne vor, weil sie freien Tankstellen Kraftstoff teurer verkauft haben sollen als eigenen Tankstellen. Aber den Nachweis zu führen ist sehr schwierig, und oft geht es nur um Einzelfälle. Gleichwohl: So wird der Druck erhöht, nicht über Gebühr Preise zu erhöhen.
+++Teurer Sprit belastet Wirtschaft - Benzinpreis auf Rekordhoch+++
Die Benzinbranche spricht von einem „Bürokratiemonster“ – zu Recht?
Es ist bisher unklar, wie viele Benzin-Kontrolleure in der neuen Behörde beschäftigt werden sollen. Nach Angaben aus der Branche müssten mehrere hundert Leute dort arbeiten, um die ganzen Daten verarbeiten zu können. Aus der ganzen Kette (Weltmarktnotierung für Rohöl, Einkauf, Transport, Raffinerien, Tankstellen) würden pro Tag Hunderttausende Daten einlaufen. Selbst freie Tankstellen, die die Regierung im Kampf gegen das Oligopol von BP/Aral, ExxonMobil, ConocoPhillips (Jet), Shell und Total stärken will, kritisieren die Meldebehörde als Planwirtschaft. Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell wirft der Regierung Blendwerk vor: „Statt endlich eine offensive Politik „Weg vom Erdöl“ anzugehen, erhöht die Bundesregierung mit einer neuen Behörde lediglich die Bürokratie.“
Mit Material von dapd