Dem Bund fehlen 60 Milliarden. Auf jeden Vorschlag folgt Protest. Muss es am Ende die Rasenmäher-Methode richten?
Berlin. Politik ist ein schnelllebiges Geschäft. Haben sich Union und FDP vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl über Steuersenkungen gestritten, so geht es eine Woche danach nur noch um mögliche Einsparungen am Gesamtetat, und sogar Steuererhöhungen werden auch nicht mehr ausgeschlossen. Grund: Die Schuldenbremse zwingt die Bundesregierung dazu, von 2011 bis 2015 im Bundeshaushalt 60 Milliarden Euro einzusparen. Zehn Milliarden pro Jahr. Vieles müsse "auf den Prüfstand", hat die Kanzlerin angekündigt; zwar könne man nicht komplett nach der Rasenmäher-Methode vorgehen, aber "da wird kein Bereich ausgenommen sein". Die Rasenmäher-Methode hatte zuvor Roland Koch (CDU) in einem Abendblatt-Interview ins Gespräch gebracht. Hessens Ministerpräsident ließ damit einen Vorschlag wiederaufleben, den er im September 2003 gemeinsam mit dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gemacht hatte: gleichmäßige Kürzungen in allen Ressorts - Einsparvolumen: 10,5 Milliarden Euro pro Jahr. Welchen Kurs die Koalition einschlägt, soll in spätestens vier Wochen feststehen, wenn der Haushalt 2011 aufgestellt wird. Ein paar Sparvorschläge liegen jetzt schon auf dem Tisch.
Subventionen/Finanzhilfen: Der Staat gibt für direkte Finanzhilfen jährlich etwa 6,8 Milliarden aus, hinzu kommen Steuervergünstigungen in Höhe von 17,6 Milliarden. Eine Studie, die das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der Universität Köln im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erarbeitet hat, rechnet vor, dass die Besteuerung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen pro Jahr satte zwei Milliarden Euro in die Kassen spülen würde. Und dass die Anhebung der reduzierten Umsatzsteuer - gemeint ist der Mehrwertsteuersatz, der unter anderem für Bücher, Zeitungen und Kunstgegenstände und neuerdings für Hotelübernachtungen gilt - weitere 1,8 Milliarden Euro einbringen könnte.
Zu den Finanzhilfen gehört der 2018 auslaufende Zuschuss für den Steinkohleabsatz, der in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro verschlingt. Und die Pendlerpauschale, die mit 2,5 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht eine Kürzung der Pendlerpauschale Ende 2008 für verfassungswidrig erklärt.
Hartz IV: Sparen könnte die Koalition bei den Hartz-IV-Kosten. 2010 sind dafür 38 Milliarden Euro veranschlagt. Die Haushälter wollten bereits 900 Millionen Euro bei Arbeitsmarktprogrammen und für Personal streichen, ruderten im April aber angesichts des massiven Protests der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Opposition zurück. BA-Chef Jürgen Weise erklärte, er werde die wieder aufgehobene Haushaltssperre zum Anlass nehmen, "die Abgeordneten von Konzepten für mehr Effizienz zu überzeugen". Für die Kanzlerin ist das Thema noch nicht erledigt. Angela Merkel (CDU) sagt, es sei zu prüfen, inwieweit die Methoden, mit denen Arbeitslose wieder in Arbeit gebracht werden sollen, erfolgreich seien.
Bildung: Das Thema Bildung steht ganz oben auf der schwarz-gelben Agenda. Deshalb wurde Roland Kochs Vorstoß, den Anspruch auf Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren zu kippen, in Berlin scharf zurückgewiesen. Nicht nur Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) wies Koch in seine Schranken, auch bei der Kanzlerin kam der Vorschlag nicht gut an. Bildung und Forschung seien Schwerpunkte ihrer Regierung, sagte Merkel, also werde das Betreuungsprogramm für unter Dreijährige wie geplant umgesetzt. "Weil es dringend notwendig ist." Damit ab 2013 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren betreut werden können, will der Bund ein Drittel der Gesamtkosten von zwölf Milliarden Euro zuschießen.
Rüstung: Im Visier der Sparkommissare steht das transatlantische Flugabwehrsystem Meads (Medium Extended Air Defense System), das ab 2012/14 die Flugabwehrsysteme Roland, Hawk und teilweise auch Patriot ablösen soll. Der deutsche Anteil ist auf 3,84 Milliarden Euro veranschlagt. Die Frage, wie es weitergeht, steht im Sommer an. Dass Deutschland aussteigt, gilt als unwahrscheinlich. Außerdem soll die letzte Eurofighter-Lieferung, über die eine Entscheidung im Mai 2012 ansteht, auf den Prüfstand. Grund: Die 14,67 Milliarden Euro, die der Bundestag für die Beschaffung von 180 der Hightech-Flieger bewilligt hat, reichten nur zum Kauf von 143 Flugzeugen.