In den schwersten Tagen ihrer Kanzlerschaft mag sich Angela Merkel bisweilen fragen, wer ihr gefährlicher werden kann: ein Stellvertreter, der vorprescht, oder einer, der schweigt.
Christian Wulff haftet seit Jahren das Etikett eines Reservekanzlers an. Merkel verfolgt seine Schritte mit Misstrauen. Seit der Niederlage der CDU bei der Wahl in NRW lehnt er Antworten auf zentrale Fragen ab; sollen sich andere austoben.
Zum Beispiel Roland Koch. Erst verlangte er den Verzicht auf Steuersenkungen - und Merkel sagte sie ab. Dann forderte er einen harten Sparkurs, auch bei der Bildung. Als Merkel widersprach, stellte er Steuererhöhungen in Aussicht. Koch wäre nach einem übersteuerten Wahlkampf beinahe von Andrea Ypsilanti verdrängt worden. Jetzt hat sich Jürgen Rüttgers, neben Wulff als Reservekanzler gehandelt, in eine ähnliche Lage manövriert. Und Koch ist wieder da.
Der Merkel-Stellvertreter aus Hessen schickt sich an, Takt und Richtung der schwarz-gelben Regierung vorzugeben. Er macht deutlich, dass Moderation der falsche Führungsstil ist, wenn die Haushalte aus dem Ruder laufen und die Währung ins Rutschen gerät. Koch geht es nicht darum, Merkel abzulösen. Er will die Kanzlerin zu entschlossenem Handeln bewegen. Was Wulff umtreibt, ist nicht so einfach zu entschlüsseln. Dass er sich die Kanzlerschaft nicht zutraut, wie er einmal formuliert hat, nehmen ihm jedenfalls wenige ab.