Kundus/Berlin. Afghanische und ausländische Truppen erobern Zentrum der Provinzhauptstadt zurück. Doch die Taliban kündigen erneute Angriffe an.
Drei Tage nach der Eroberung von Kundus durch die Taliban haben afghanische und ausländische Truppen die Aufständischen aus dem Zentrum der nordafghanischen Provinzhauptstadt vertrieben. „Wir haben die Stadt Kundus zurückerobert“, sagte der amtierende Provinzgouverneur Hamdullah Daneschi am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur per Telefon.
„In manchen Gegenden in der Stadt wird noch sporadisch geschossen, weil sich einige Taliban in Wohnhäusern versteckt haben“, sagte er. Die Aufständischen bestätigten, dass sie sich zurückgezogen hätten, und kündigten einen erneuten Angriff an.
136 Taliban-Kämpfer getötet
Daneschi sagte, an der Offensive zur Rückeroberung von Kundus hätten 600 bis 700 afghanische Sicherheitskräfte teilgenommen. An dem Bodeneinsatz seien auch ausländische Truppen beteiligt gewesen, die außerdem aus der Luft unterstützt hätten.
136 Taliban-Kämpfer seien getötet worden. Darunter seien Pakistaner, Araber und Tschetschenen gewesen. 60 weitere Taliban-Kämpfer seien verwundet worden. Er gehe von einer niedrigen Opferzahl bei den afghanischen Sicherheitskräften aus, könne aber keine genauen Angaben machen.
Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte: „Wir haben uns letzte Nacht zurückgezogen, weil sich ausländische Truppen an den Kämpfen beteiligten.“ Man werde die Stadt nun erneut angreifen und versuchen, bis zum Flughafen am Stadtrand vorzudringen. Ein Anwohner namens Schukrollah sagte, im Stadtzentrum seien die Taliban-Flagge abgenommen und die Nationalflagge gehisst worden. Auf den Straßen lägen zahlreiche Leichen von Taliban-Kämpfern.
Bundeswehrverband warnt vor Machtvakuum
Nach Einschätzung des Bundeswehrverbands kann sich Deutschland auch angesichts des Flüchtlingsandrangs aus Afghanistan kein Machtvakuum am Hindukusch leisten. „Wenn wir davon sprechen, Ursachen von dieser Flüchtlingskrise zu beseitigen oder zu bekämpfen, dann können wir auf keinen Fall jetzt sagen, wir halten an dem aktuellen Zeitplan zum Abzug fest“, sagte Verbandsvorsitzender André Wüstner am Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Situation in Kundus wirke sich auf ganz Afghanistan aus. Schon jetzt sehe man Bilder von Menschen, die ihre Sachen packten und das Land verlassen wollten.
Wüstner hatte zuvor gefordert, die Bundeswehr länger in dem Bürgerkriegsland zu stationieren und mehr Soldaten dorthin zu schicken. Zurzeit sind noch gut 800 Bundeswehrsoldaten zur Beratung und Ausbildung einheimischer Streitkräfte in Afghanistan, 700 davon in Masar-i-Scharif 150 Kilometer westlich von Kundus.