Die Syrien-Mission der Uno ist gescheitert. Der Westen ist ratlos. Einen wirkungsvollen Plan B gibt es nicht. Die USA haben keine Strategie.
Washington. Barack Obama ist in Sachen Syrien schon seit Wochen abgetaucht; er meidet es geradezu, das Wort öffentlich in den Mund zu nehmen. Auch Hillary Clinton, bis vor kurzem noch diplomatisch schwer unterwegs, schweigt geflissentlich. Es ist noch gar nicht so lange her, da galten die USA noch als „Weltpolizist“. Als Ordnungsmacht, die im Bedarfsfall ihren „big stick“, den großen Knüppel, zücken konnte, um missliebige Machthaber zur Vernunft zu bringen – oder es wenigstens zu versuchen.
Alles vorbei. Wie kein anderer Konflikt zeigt der Bürgerkrieg in Syrien wie hilflos die USA sind. Lange, allzu lange hat sich Washington an die Unp-Mission geklammert wie an einen Strohhalm. Jetzt, da die Bemühungen der Weltorganisation fürs erste gescheitert sind, herrscht betretenes Schweigen. Immer deutlicher wird: Die „Weltmacht Nummer eins“ hat keine Strategie.
„Bis Washington sich nicht entscheidet, entweder einer Seite zu helfen oder eine Intervention in Syrien anzuführen, wird nichts, was wir tun, irgendeinen Unterschied machen“, schrieb die „Washington Post“ unlängst – mit einem deutlichen Unterton der Resignation. Doch wie die Dinge aussähen, liege ein echtes Engagement, das das Blatt auf dem Kriegsschauplatz wenden könnte, derzeit außerhalb der Debatte.
Selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone wird im Pentagon derzeit als vage Zukunftsvision abgetan, wie Verteidigungsminister Leon Panetta deutlich machte. Die Frage sei schlichtweg kein „front-burner“, sagte Panetta auf bohrende Nachfragen von Journalisten – im Klartext: nicht akut.
+++Situation syrischer Flüchtlinge verschlechtert sich+++
+++Ahmadinedschad will Assad retten+++
Dabei ist Nahost-Strategen durchaus klar, dass passives Warten gefährliche Risiken mit sich bringt. Je länger der Bürgerkrieg andauert, umso größer wird die Gefahr, dass sich der Konflikt auf Nachbarländer ausbreitet. Auch die Fronten innerhalb Syrien verhärten sich immer mehr – und machen einen Neuanfang nach einem Abgang Baschir al-Assads immer schwieriger.
Gut zwei Monate vor der Präsidentenwahl in den USA könnte die Lage nicht verzwickter sein: Zu allem Überfluss gibt es mit dem Iran und Israel einen zweiten Konflikt im Pulverfass Nahost, der den Verantwortlichen in Washington den Schlaf raubt. So betonte Panetta verdächtig ausführlich, dass Israel ein souveräner Staat und Herr seiner eigenen Sicherheitspolitik sei.
Im Klartext dürfte das bedeuten: Die USA können Israel im Zweifelsfall nicht daran hindern, im Alleingang iranische Atomanlagen anzugreifen – auch nicht, wenn Israel noch im Herbst zuschlagen sollte. Zwei Brandherde in Nahost und das vor den Wahlen – das wäre der Mega-Gau für Obama.
Trotz aller gegenteiliger Spekulationen und Gerüchte: Es gibt derzeit keine Hinweise, dass die USA Waffen an die Rebellen in Syrien liefern. „Non-lethal aid“, also Hilfen, die nicht töten, würden geliefert, heißt es in Washington. Eine schillernde Formulierung, die vieles bedeuten kann. Gemeint sind neben Medikamenten und Nahrung vor allem Kommunikations- und Logistikunterstützung – und Geld, womit man wiederum Waffen kaufen kann.
Ein Argument gegen Waffenlieferungen, das in Washington umgeht, ist die These, dass zusätzliche Waffen den Konflikt nur weiter anheizen könnten. Schon derzeit würden die Rebellen „von Waffen überschwemmt“, zitierte die „Washington Post“ jüngst John Brennen, Anti-Terrorismusexperte im Weißen Haus.
Vor allem geht nach wie vor die Angst um, die Waffen könnten in falsche Hände fallen. Auch in die Hände radikaler Islamisten oder gar al-qaida-Kämpfer.
Und gegen eine Intervention spricht vieles, wie Experten immer wieder anführen. Schon gleich zu Beginn des Syrienkonflikts zogen Weißes Haus und Pentagon eine rote Linie: „Syrien ist nicht Libyen“, hieß die Parole. Auch an Militärschläge aus der Luft sei nicht zu denken – Syriens Luftabwehr sei viel zu stark. US-Piloten könnten in Gefahr geraten.
Auch der Sicherheitsexperte Paul B. Stares vom „Council on Foreign Relations“, einer Denkfabrik in Washington, warnt vor einer Intervention. „Sie sind niemals einfach und kurz“, meint er. „Aus Wochen werden Monate, aus Monaten Jahre.“ Es sei meist ein „schwierigeres Unterfangen, als man zuerst denkt.“ Vor allem aber, so der Experte: Interventionen „sollten nicht allein unternommen werden. Man braucht Partner“.