Die Flut von hungernden Erwachsenen und vor allem Kleinkindern ist für die Helfer in Somalia kaum zu bewältigen. 21.000 Menschen flohen.
Mogadischu. Die Helfer haben sich auf Schuttbergen niedergelassen, müde von einem Tag Arbeit in sengender Hitze. Sie waren stundenlang in der somalischen Hauptstadt Mogadischu unterwegs und haben nach unterernährten Säuglingen und Kleinkindern Ausschau gehalten. Davon gibt es in diesen Tagen Tausende. Nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) sind allein in den ersten drei Juliwochen 21.000 Menschen aus den somalischen Hungergebieten nach Mogadischu geflohen.
Die Trümmerhaufen säumen das Gelände, auf dem die Mitarbeiter der somalischen Organisation Saacid vor drei Tagen eine mobile Ernährungsstation eingerichtet haben. In Mogadischu ist Schutt nichts Besonderes, die somalische Hauptstadt ist von einem 20-jährigen Bürgerkrieg gezeichnet und immer noch umkämpft.
Die Helfer haben ihre Ernährungsstation neben einem Flüchtlingslager errichtet, das innerhalb von wenigen Tagen entstand und in dem schon 16.000 Menschen Zuflucht gefunden haben. Die Saacid-Mitarbeiter haben eine Wellblechhütte gebaut, zwei Tische aufstellt, eine Waage für Säuglinge aufgehängt und mit der Arbeit angefangen.
„Seitdem haben wir schon 370 mangelernährte und 200 schwer mangelernährte Kleinkinder behandelt“, sagt Abdullahi Mohammed Ibrahim. Er ist Krankenpfleger und leitet die mobile Ernährungsstation. Er ist überzeugt: „Wenn wir mehr Helfer hätten, hätten wir auch mehr Fälle.“ Saacid verteilt Aufbaunahrung an die Kinder. Die Helfer tun, was sie können. Aber angesichts der Not sei das nie genug, sagt Abdullahi Mohammed. „Seit Wochen sind wir überfordert. Überwältigt von der Not.“
Finanzielle Unterstützung für die mobile Ernährungsstation bekommt Saacid von Oxfam und den UN-Organisationen UNICEF und WFP. Für ihre Garküchen ist der Dänische Flüchtlingsrat ihr Partner. „Wir arbeiten in allen Stadtbezirken“, betont Abdullahi Mohammed, „auch in denen, die von den islamistischen Al Schabaab beherrscht werden“. Das sei möglich, weil die Organisation streng neutral sei.
Auch andere Organisationen arbeiten landesweit. Die irische Organisation Concern zum Beispiel ist nach eigenen Angaben seit 25 Jahren in Somalia: Während der 90er Jahre, in denen Warlords das Kriegsgeschehen prägten, und auch heute, während die islamistische Miliz Al Schabaab gegen die schwache Übergangsregierung kämpft.
„Wir arbeiten in allen Gebieten, auch in denen, die jetzt von der Al Schabaab kontrolliert werden“, betont Austin Keenan von Concern. Dazu gehören auch die beiden Regionen Bay & Bakool sowie Lower Schabelle, in denen die UN den Hunger-Notstand erklärt haben.
Das Risiko für die Mitarbeiter ist hoch. Strikte Neutralität ist die einzige Chance, als Helfer in Somalia zu überleben. Was immer den Helfern als Parteinahme für die schwache somalische Übergangsregierung ausgelegt werden könnte, birgt ein unkalkulierbares Risiko. Concern gehört zur Alliance 2015, einem europäischen Verbund von Hilfsorganisationen.
Weil sie auf diese Neutralität größten Wert legen, können auch andere westliche Organisationen seit Jahren in allen Gebieten helfen. Dazu gehören das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das vor Ort vor allem über den Somalischen Roten Halbmond präsent ist. Ebenso „Ärzte ohne Grenzen“, und christliche Organisationen wie die „Norwegian Church Aid“.
Auch die somalische Partnerorganisation von Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas International, DBG, ist dabei. „Wir sind streng neutral“, sagt deren Direktor Omar Olad. „Wir verhandeln mit allen Seiten, auch mit den Al Schabaab.“
Dagegen verweigern die Milizen dem WFP und einigen anderen Organisationen den Zugang. Sie werfen ihnen vor, weniger humanitäre als politische Ziele zu verfolgen. Ende 2009 stellte die islamistische Miliz dem WFP Bedingungen, wenn es seine Arbeit in ihrem Gebiet fortsetzen wolle. Bedingungen, die anderen nicht gestellt wurden.
Unter anderem, sagte der damalige WFP-Sprecher Peter Smerdon dem EPD, hätten die weiblichen Mitarbeiter entlassen werden sollen. „Die Bedingungen waren einfach nicht akzeptabel“, sagte Smerdon. Darauf stellte das WFP seine Arbeit in den islamistisch kontrollierten Gebieten Anfang 2010 ein. Selbst jetzt, angesichts der Dürre, hat sich das Verhältnis der Al Schabaab zum WFP offenbar nicht geändert. (epd)