Während die Uno vor einer extremen Hungersnot warnt, wirbt Kanzlerin Angela Merkel auf ihrer Afrika-Reise für die deutsche Wirtschaft.
Hamburg. Es sind Nachrichten, die so gar nicht zusammenpassen wollen und die wohl nur ein Kontinent wie Afrika produzieren kann, wo Hoffnung und Tod schon seit Urzeiten unzertrennlich miteinander verbunden scheinen: "Merkel in Afrika - Kontinent mit wachsender Bedeutung", schrieb die Deutsche Presse Agentur am Montag über eine ihrer Meldungen. Anlass dazu gab die Abreise der Bundeskanzlerin, die am frühen Nachmittag zusammen mit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und Vertretern aller Bundestagsfraktionen zu einer viertägigen Afrika-Reise aufbrach.
Zur gleichen Zeit lief noch eine andere Nachricht: "Uno warnt vor Jahrhundertnot in Somalia." Nach einer anhaltenden Dürre in Ostafrika fürchtet das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die "schlimmste Katastrophe" weltweit, zwölf Millionen Menschen seien in Not.
Aus dem vertrockneten Somalia schwappt das Elend nun auch in die Nachbarstaaten. Tausende Menschen fliehen ins benachbarte Kenia, wo die Flüchtlingslager bereits zum Bersten voll sind und das Risiko von Infektionen vor allem für geschwächte Kinder von Tag zu Tag steigt. "Noch nie habe ich in einem Flüchtlingscamp Menschen in einem so verzweifelten Zustand gesehen", sagte der Chef der Behörde, Antonio Guterres, nach einem Besuch des Lagers in Dadaab in Kenia.
Kenia aber ist auch die erste Station auf der Reise der Bundeskanzlerin, die in den kommenden Tagen auch noch Angola und Nigeria besuchen will. Es sind drei der wirtschaftsstärksten und rohstoffreichsten afrikanischen Nationen südlich der Sahara. Nicht zuletzt deswegen nahm gestern im Kanzlerjet "Konrad Adenauer" auch eine Gruppe Firmeninhaber und Manager Platz, mit denen die Kanzlerin die deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln will. Unter den Teilnehmern befinden sich nach Informationen des Abendblatts mehrere norddeutsche Firmen, darunter der Lübecker Medizintechnikkonzern Dräger, die Bremer Lürssen-Werft und das Bremer Unternehmen Henry LaMotte Oils. Aber auch Vertreter von Lufthansa, Deutsche Bank und Siemens fliegen mit.
Aber wie moralisch ist es, angesichts von Armut und Elend an Geschäfte zu denken? Christian Schneider, der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, kann daran nichts Schlimmes finden. "Es ist gut, wenn die Bundesregierung mit ihren Partnern die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika fördern will", sagt Schneider. Gleichzeitig sei eine gemeinsame Kraftanstrengung nötig. Seine Organisation hofft nun auf Unterstützung von Regierungen und Spenden von Privatleuten.
Es könnte jedoch sein, dass Einrichtungen wie Unicef künftig mehr auf sich gestellt sein werden. Denn die klassische Entwicklungshilfe soll für die deutsche Afrika-Politik an Bedeutung verlieren. So sieht es zumindest die Afrika-Strategie vor, auf die sich die Bundesregierung erst Mitte Juni verständigt hat. Darin sind gemeinsame Ziele aller Ressorts benannt und Dutzende konkrete Initiativen aufgelistet. Unter anderem sieht das Konzept Energie- und Rohstoffpartnerschaften mit den afrikanischen Ländern vor. Nicht staatliche Entwicklungsorganisationen kritisieren das Konzept als zu wirtschaftslastig. Die ländliche Entwicklung komme zu kurz.
Vertreter der Wirtschaft dagegen sind erfreut. "Wir begrüßen die neue Afrika-Strategie der Bundesregierung", sagt Hans Meier-Ewert, Geschäftsführer des in Hamburg ansässigen Deutschen Afrika-Vereins, dem Abendblatt. Zum ersten Mal gebe es ein Papier, das zwischen allen Ministerien abgestimmt sei. "Das Wesentliche daran ist, dass Entwicklungshilfe nur als ein erster Schritt gesehen wird", sagt Meier-Ewert. Er ist überzeugt: "Die Lösung für die Probleme Afrikas liegt im Aufbau einer funktionierenden Privatwirtschaft." Nach Ansicht von Meier-Ewert besteht eine gute Chance, dass Deutschland nicht nur bei diesem Aufbau hilft - beispielsweise durch Kleinkredite, Programme zum Bürokratieabbau oder Initiativen gegen die Korruption -, sondern auch davon profitiert.
Obwohl Nationen wie China und die USA bereits massiv in Afrika investieren, wittern deutsche Unternehmer ihre Chance: Ein Wirtschaftswachstum, das in den letzten Jahren regelmäßig über fünf Prozent lag, zunehmend liberalisierte Märkte und eine wachsende Mittelschicht verheißen lukrative Geschäfte. In Nigeria beispielsweise boomen die Importe von BMW- und Mercedes-Limousinen. "Viele norddeutsche Unternehmen profitieren vom Wachstum in Afrika", berichtet Meier-Ewert. "Es gibt zum Beispiel Kooperationen mit Firmen aus der Branche der Erneuerbaren Energien, viele große Consulting-Unternehmen auch aus Hamburg sind in der afrikanischen Landwirtschaft beratend tätig." Ebenso würden Gesundheitsfirmen aus dem Raum Hamburg immer mehr mitmischen.
Eine Partnerschaft auf Augenhöhe wünsche sie sich, hatte Merkel vor ihrem Abflug erklärt. Trotz Armut und Elend kein völlig abwegiger Wunsch: Im vergangenen Jahr belief sich der Handel Deutschlands mit dem afrikanischen Kontinent nach Angaben des Deutschen Afrika-Vereins auf 37 Milliarden Euro - etwa zwei Milliarden mehr als der Handel mit Japan.