Bei Demonstrationen in einigen Teilen Syriens sind erneut mehrere Menschen getötet worden. Soldaten sollen 16 Deserteure erschossen haben.

Damaskus/Istanbul. Wieder blutige Gewalt in Syrien. Nach dem Freitagsgebet starben zahlreiche Demonstranten, als die Armee auf Gegner des Regimes von Präsident Baschar al-Assad feuerte. Alleine in Homs, wo die Armee nach Angaben von Einwohnern auf Demonstranten schoss, sollen drei Zivilisten getötet worden sein. „Auf den Dächern stehen Scharfschützen, die lange Bärte tragen und aussehen wie Iraner“, sagte ein Anwohner in Homs. Aktivisten meldeten, in Damaskus sei ebenfalls ein Demonstrant erschossen worden. In der Nacht sei ein Demonstrant in der Stadt Aleppo getötet worden, hieß es. Die Proteste standen diesmal unter dem Motto „Verschwinde“.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die syrische Armee habe eine Gruppe von Offizieren und Soldaten „befreit“, die in der Provinz Idlib in einen Hinterhalt geraten seien. Die Protestbewegung, die seit März den Sturz des Regimes von Präsident Baschar al-Assad fordert, erklärte dagegen, Soldaten hätten 16 Deserteure getötet.

Sana berichtete unter Berufung auf einen Militärsprecher, Angehörige einer Spezialeinheit hätten die Männer am Donnerstag - zwei Tage, nachdem sie verschleppt worden seien – befreit und dabei zahlreiche Extremisten getötet. Mehrere „bewaffnete terroristische Elemente“ seien gefangen genommen worden. Kein Soldat sei ums Leben gekommen. Zur genauen Zahl der „Befreiten“ oder der getöteten „Extremisten“ wurden keine Angaben gemacht.

Ein Aktivist der syrischen Protestbewegung an der Grenze zur Türkei sagte der Nachrichtenagentur dpa in einem Telefoninterview: „Eine Gruppe von Deserteuren – 6 Offiziere und 18 Soldaten – hatte uns telefonisch kontaktiert, weil sie in die Türkei fliehen wollten. Sie fragen, wo es noch einen sicheren Weg zur Grenze gibt. Doch dann bekam die Armee Wind davon, sie umstellten das Dorf Al-Ram. Es kam am Donnerstag zu einem Gefecht zwischen beiden Seiten, bei dem 16 Deserteure getötet wurden, die restlichen Militärs wurden gefangen genommen. Wie viele der Angreifer starben, wissen wir nicht.“

Der Oppositionelle erklärte, die Wege zur türkischen Grenze seien inzwischen alle unter Kontrolle der syrischen Truppen. Deswegen habe der Ansturm der Flüchtlinge stark nachgelassen. In den Libanon flohen am Freitag erneut rund 100 Syrer.

Amer al-Sadik von der Union für die Koordination der syrischen Revolution sagte, seiner Einschätzung nach wende sich nun auch in der Großstadt Aleppo, wo es in den ersten Wochen des Aufstandes ruhiggeblieben war, das Blatt. „Die Jugend bewegt sich und auch die Geschäftsleute überdenken ihre Position“.

Die Staatsmedien berichteten unterdessen von großen Pro-Regime-Kundgebungen in Aleppo und in der Provinz Al-Suwaida. In der Ortschaft Al-Kraja hätten „die Kräfte, die den (von Assad versprochenen) Reformprozess unterstützen“, eine 1700 Meter lange syrische Nationalfahne durch die Straßen getragen. Die Opposition veröffentlichte ihrerseits ein Video, auf dem – wie sie behaupte - zu sehen ist, wie Anti-Assad-Demonstranten in Hama „die längste Fahne der Welt“ durch die Stadt tragen.

Die Protestbewegung schrieb auf einer ihrer Internetseiten an die Adresse des Präsidenten: „Wir lieben Dich nicht. Wir lieben Dich nicht, lass uns in Ruhe – Du und Deine Partei.“ – eine Anspielung auf den vor einigen Jahren populären Pro-Assad-Slogan „Wir lieben Dich. Wir lieben Dich“. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden in Syrien seit Beginn der Proteste Mitte März rund 1700 Menschen getötet. (dpa)