Der Ministerpräsident führt die Übergangsregierung an, die Neuwahlen vorbereiten soll. Alle politischen Gefangenen sollen freikommen.

Tunis. Nach der Flucht von Präsident Zine El Abidine Ben Ali hat der amtierende Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi in Tunesien eine Regierung der nationalen Einheit unter seiner Führung gebildet. Diese Übergangsregierung unter der Beteiligung von drei Oppositionsführern soll Präsidentschafts – und Parlamentswahlen vorbereiten, wie Ghannouchi am Montag mitteilte. Insgesamt gehören der Interimsregierung 19 Minister an.

Ein Informationsministerium wird es demnach nicht mehr geben. Es war als Zensurinstanz für die Medien und Propaganda-Maschine in der Bevölkerung besonders verhasst. Neben Ghannouchi, der schon unter Ben Ali im Amt war, verbleiben fünf weitere Minister aus dem alten Kabinett auf ihren Posten, darunter die bisherigen Ressortchefs für Äußeres und Inneres.

Nach der Regierungsbildung kündigte Ghannouchi an, alle politischen Gefangenen in Tunesien freizulassen.

Kurz vor seiner Flucht nach Saudi-Arabien hatte Ben Ali Ghannouchi noch mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt. Von den am Wochenende geführten Verhandlungen ausgeschlossen waren die unter Ben Ali verbotenen Islamisten und Kommunisten. Nach der tunesischen Verfassung müssten Neuwahlen binnen zwei Monaten stattfinden. Oppositionsvertreter fordern aber eine Frist von sechs Monaten, um den Urnengang wirklich demokratisch zu gestalten.

Unterdessen hat das EU-Parlament aus Solidarität mit den Opfern der Unruhen in Tunesien eine Schweigeminute eingelegt.„Wir wünschen den Tunesiern Erfolg beim friedlichen Übergang zu einer Regierung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Prinzipien“, sagte Parlamentspräsident Jerzy Buzek zur Beginn der Sitzungswoche am Montag in Straßburg. Er forderte eine Freilassung aller politischen Häftlinge in Tunesien, eine unabhängige Untersuchung der Korruption sowie freie und gerechte Parlaments- und Präsidentenwahlen, die von unabhängigen Beobachtern begleitet werden sollten.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle sicherte Tunesien „in dieser heiklen Situation“ die volle Unterstützung der EU zu. „Die EU hat ein klares Interesse an einem demokratischen und stabilen Tunesien“, sagte er. Die Grünen forderten eine Entschließung, um dieser kurzen Debatte des Parlaments Nachdruck zu verleihen, doch ihr Vorstoß fand keine Mehrheit.

(afp/dpa)