Immer mehr Italiener wollen den Ministerpräsidenten zum Rücktritt treiben. Berlusconi gibt sich nach jüngsten Frauenprotesten unbeeindruckt.
Rom. Die Frauen gehen auf die Straße, doch Silvio Berlusconi bleibt stur - und sich seinem Selbstverständnis als Macho mit Herz treu: Ungeachtet sinkender Sympathiewerte hat der italiensche Ministerpräsident die Protestmärsche Hunderttausender Frauen am Wochenende als das Werk seiner politischen Gegner heruntergespielt und den darin geforderten Rücktritt erneut abgelehnt. Die Demonstrationen seien von Linken organisiert worden, die jeden Vorwand nutzten, um auf einen Gegner einzudreschen, den sie an der Wahlurne nicht schlagen könnten, sagte Berlusconi am Montag seinem Fernsehsender Canale 5. Er wies den Vorwurf zurück, mit seinem Verhalten die Würde der Frauen verletzt zu haben. „Alle Frauen, die mich kennengelernt haben, wissen wie sehr ich sie respektiere“, sagte er. „Ich habe immer versucht, mich so zu verhalten, dass sich jede Frau wie jemand Besonderes fühlt.“
In ganz Italien hatten Frauen am Sonntag ihren Zorn über den Sex-Skandal um Berlusconi auf die Straße getragen. Sie skandierten „Italien ist kein Bordell“ und forderten den Ministerpräsidenten auf Transparenten zum Rücktritt auf. An den Märschen beteiligten sich unter anderem Schauspielerinnen und Politikerinnen. Damit erhöht sich der innenpolitische Druck auf den 74-jährigen Regierungschef. Er könnte wegen des Vorwurfs, eine Minderjährige für Sex bezahlt zu haben, vor Gericht gestellt werden. Berlusconi droht mit dem Skandal zudem die Gunst zumindest eines Teils der Italienerinnen zu verlieren, die in den vergangenen Jahren zu seinen treusten Wählern gehörten. Er hat stets betont, nichts Rechtwidriges getan zu haben.
Einer aktuellen Umfrage zufolge bewertet nur noch knapp jeder dritte Italiener die Regierungsarbeit Berlusconis positiv. Und jeder vierte Berlusconi-Gegner ist demnach dafür, den Regierungschef jetzt auf dem „ägyptischen Weg“ mit anhaltenden Demonstrationen zum Rücktritt zu zwingen. Die römische Tageszeitung „La Repubblica“ veröffentlichte am Montag diese Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Demos – sie zeigen Berlusconi auf einem Tiefstand in der Wertschätzung wie seit sechs Jahren nicht.
Gespannt wurde zu Wochenbeginn erwartet, wie sich die zuständige Ermittlungsrichterin Cristina Di Censo zu einem Prozess gegen den 74-Jährigen wegen Amtsmissbrauchs und Umgangs mit minderjährigen Prostituierten stellen wird. Die Richterin muss entscheiden, ob gegen Berlusconi wegen einer Affäre mit der damals noch 17-jährigen „Ruby“ ein Schnellverfahren eröffnet wird, wie von den Staatsanwälten in Mailand beantragt. Der Prozess könnte dann im April beginnen.
Nach der Demos-Umfrage geht eine Mehrheit der 1027 Befragten davon aus, dass sich Berlusconi ungestraft aus dieser jüngsten juristischen Affäre um seine Person ziehen wird. Allerdings scheint auch das Vertrauen der Wähler in seine Partei PdL (Volk der Freiheit) nach der Umfrage stark geschrumpft. Allein noch 27,2 Prozent wollten für Berlusconis Partei votieren – bei Wahlen 2008 und 2009 waren es noch jeweils mehr als 35 Prozent. Dass er die Wähler hinter sich habe, war bisher für den Regierungschef das stärkste Argument zur Abwehr seiner Gegner.
Doch dieses Argument könnte Berlusconi bei einer Verurteilung im "Ruby"-Prozess in Zukunft abhanden kommen. Zur Erinnerung: Berlusconi soll im Mai 2010 die damals 17-jährige Ruby persönlich vor dem Gefängnis bewahrt haben. Er hatte eingeräumt, in der Nacht bei einem hochrangigen Mailänder Polizisten angerufen zu haben, um das wegen mutmaßlichen Diebstahls festgenommene Mädchen freizubekommen. Er soll dabei auch gesagt haben, sie sei die Nichte des damaligen ägyptischen Staatschefs Husni Mubarak. "Der Amtsmissbrauch existiert nicht: Ich habe damals nur eingegriffen, um einen diplomatischen Zwischenfall zu verhindern", konterte Berlusconi.
Seine Anwälte wollen beweisen, dass Ruby sich tatsächlich als Nichte Mubaraks ausgegeben und Berlusconi dies geglaubt habe.
Die junge Frau soll als Minderjährige mit anderen bezahlten Frauen bei wüsten Partys in Berlusconis Villa mitgemacht haben. Berlusconi und das Mädchen streiten ab, Sex miteinander gehabt zu haben.
(rtr/dpa)