Sie haben genug von Sexskandalen Berlusconis: Unter dem Motto: „Italien ist kein Bordell“ protestierten Frauen im ganzen Land gegen den Staatschef.
Rom. Ausgerechnet Italiens Frauen sind auf die Barrikaden gegangen, um gegen den durch eine Sexaffäre schwer angeschlagenen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu protestieren. Zu Hunderttausenden demonstrierte am Sonntag das sogenannte „schöne Geschlecht“, das der italienische Regierungschef so gerne schmunzelnd als eine seiner Kavaliers-Schwächen ausgibt. Die Frauen gingen gemeinsam mit Berlusconi-Gegnern auf die Straße, um den Rücktritt des 74-jährigen Medienmoguls zu fordern.
„Wir sind über eine Million in Italien und der Welt“, erklärte die Schauspielerin Angela Finocchiaro von der Rednerbühne auf der römischen Piazza del Popolo. Die Frauen wandten sich vor allem gegen das Bild, das in den Medien und in der Politik von Frauen vermittelt wird, und verlangen ein Ende von Diskriminierungen. Berlusconi verletze ihre Würde. „Ich bin nicht hier, um Porno-Feste zu kritisieren“, erklärte so etwa seine einstige Parteigenossin, Giulia Bongiorno, in Rom. „Ich kritisiere viel mehr die leitende Klasse, die solche Feste zum herrschenden System macht“.
Niemand dürfe schweigen in einer solchen Situation. Der 74-jährige Premier ist durch eine Sexaffäre erneut schwer unter Druck geraten. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat im „Fall Ruby“ um eine blutjunge Marokkanerin ein Schnellverfahren gegen ihn gefordert. Es geht um Amtsmissbrauch und um Prostitution mit Minderjährigen. Berlusconi soll Ruby und zahlreiche andere Mädchen für Geld zu orgienhaften Parties in seine Villa San Martino in Arcore bei Mailand bestellt haben. Ob der Medienmogul sich deswegen wirklich vor einem Gericht verantworten muss, soll eine Mailänder Ermittlungsrichterin bis Mitte der Woche entscheiden.
Tausende Menschen folgten indessen am Sonntag in Italien dem Aufruf der Frauen. Unter Parolen wie „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ und „Italien ist kein Bordell“ zogen nicht nur Frauen, sondern auch Regierungskritiker sowie Politiker der Opposition in ganz Italien auf die Straße. In Neapel berichteten die Organisatoren von 100 000 Teilnehmern, in Palermo von 10 000. Zehntausende wurden ebenso verzeichnet in Messina, Triest, Bologna, Florenz, Catania, Cosenza, Pesaro, Bari, Pescara. In Paris seien rund 1000 Protestierer dem Aufruf gefolgt. Insgesamt wollten 230 italienische Städte protestieren – neben rund 30 Städten im Ausland.
Berlusconis Anhänger höhnten dagegen über eine anti-feministische Veranstaltung, organisiert von „linken Snobistinnen“, wie sich etwa die Bildungsministerin Mariastella Gelmini am Sonntag ausdrückte. Die Demonstranten nahmen jedoch kein Blatt vor den Mund. Mit Spruchbändern wie „Tritt ab!“ oder „Du raubst uns Würde und Kultur“ ließen sie ihrem Unmut freien Lauf. „Dieser Platz voller verschiedener Frauen, junger Menschen und Männer ist überwältigend“, erklärte die Schauspielerin Lunetta Savini auf der größten Protestveranstaltung in Rom. „Berlusconi hätte schon vor Zeiten seinen Hut nehmen müssen. Das zeigen ihm diese Demonstrationen heute“, kommentierte hingegen der Chef der größten Oppositionspartei PD (Demokratische Partei), Pierluigi Bersani.
In der Hauptstadt Rom begann die Kundgebung mit einer Schweigeminute, auf die ein Aufschrei der Menge folgte: „Se non ora quando?“ (Wenn nicht jetzt, wann dann?). Hunderte Anhänger der italienischen Protestbewegung „Popolo viola“ (Lila Volk) hatten bereits am Samstag in der Ewigen Stadt für den Rücktritt Berlusconis demonstriert – unter dem Motto „Nach Mubarak Silvio Berlusconi“. Doch der angefochtene italienische Regierungschef hat sich bisher noch nie durch eine der zahlreichen Demonstrationen gegen ihn beeinflussen lassen.