Völlig überraschend hat die Abschiebung der Roma keine förmlichen Konsequenzen. Doch der Streit um Sarkozys Politik ist damit nicht beigelegt.
Brüssel. Die EU-Kommission wird nach Angaben aus EU-Kreisen überraschend doch kein förmliches Verfahren gegen Frankreich wegen der massenhaften Abschiebung von Roma einleiten. Die Kommission werde Frankreich nur ein weiteres Mal schriftlich um mehr Informationen über den Vorgang bitten, sagte ein mit dem Vorgang Vertrauter der Nachrichtenagentur Reuters in Brüssel.
Die EU-Kommission und Frankreich waren hart aneinander geraten über die Ausweisungen von Roma zurück in ihre EU-Heimatländer Rumänien und Bulgarien. Die Kommission hatte Frankreich vorgeworfen, damit gegen die im EU-Recht garantierte Freizügigkeit der EU-Bürger zu verstoßen. Justizkommissarin Viviane Reding hatte, unterstützt von Kommissionspräsident José Manuel Barroso, die Prüfung eines Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet. Reding hatte Frankreich scharf angegriffen. Beim EU-Sondergipfel Mitte September war es deshalb zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Barroso und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gekommen.
In einem Vertragsverletzungsverfahren wird geklärt, ob ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegen EU-Recht verstoßen hat. Ein solches Verfahren wird von der Kommission oder einem anderen Mitgliedsstaat in Gang gebracht. Bevor die Klage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) geht, gibt die Kommission eine schriftliche Stellungnahme ab, zu der sich der betroffene Staat äußern kann.
Stellt das höchste EU-Gericht in Luxemburg fest, dass ein Vertragsverstoß vorliegt, muss dieser von dem beklagten Staat behoben werden. Anderenfalls kann das Gericht hohe Zwangsgelder verhängen. Diese Möglichkeit besteht seit dem Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft getreten war.