Selbst Außenminister Kouchner ist über seinen Präsidenten verwundert. Nicolas Sarkozy bittet nun um eine Audienz bei Papst Benedikt XVI.
Brüssel/Berlin/Paris. Vom diplomatischen Geschacher, über das Missverständnis zur Lüge: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy gerät wegen seiner umstrittenen Äußerungen über die bevorstehende Räumung von Roma-Lagern in Deutschland in Erklärungsnot. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner erklärte dem Rundfunksender Europe 1, er habe Sarkozy in Brüssel nicht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reden hören. Der französische Staatschef hatte in Brüssel erklärt, Merkel selber habe ihn informiert – was der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert dementiert.
Auf die Frage, wer gelogen habe, sagte Kouchner: „Das wird die Geschichte entscheiden. Ich habe (einer solchen Unterredung) nicht beigewohnt, obwohl ich die ganze Zeit anwesend war! Der Präsident hat mir darüber auch nichts berichtet – ich weiß nicht, ob diese Unterredung irgendwo abseits stattgefunden hat.“
Kouchner bestätigte allerdings eine „sehr lebhafte Debatte“ auf dem EU-Gipfel . So etwas gebe es häufiger in der Politik; das sei aber eher normal. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte die französische Roma-Politik heftig kritisiert.
Die Bundesregierung sieht nach den Verwirrungen allerdings keine Belastung im Verhältnis zu Frankreich. „Die deutsch-französischen Beziehungen sind absolut gesund, absolut stabil“, sagte Außenminister Guido Westerwelle. Sowohl Merkels Sprecher Seibert als auch Westerwelle betonten, dass die Bundesregierung inhaltlich hinter der EU-Kommission stehe, die ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich wegen der Roma-Abschiebungen prüft. Die Kommission sieht darin eine verbotene Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe. „Es ist das Recht und die Pflicht der EU-Kommission, die Einhaltung des Gemeinschaftsrecht zu prüfen“, sagte Seibert.
Sarkozy soll sich derweil nach Zeitungsberichten darum bemühen, möglichst rasch eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. zu erhalten. Dabei, so meldete die Tageszeitung „La Croix“, werde die Kritik der Kirche an der Roma-Politik der Regierung im Mittelpunkt stehen. In Rom wollte die französische Vatikanbotschaft keinen Kommentar abgeben, weder zum Termin eines bevorstehenden Besuchs, erst recht aber nicht zu Inhalten.
Französische Medien wie „Le Figaro“ mutmaßten, der Papst wolle Sarkozy treffen, weil sich das Kirchenoberhaupt nach seinen Äußerungen vom Sommer missverstanden fühle. Benedikt XVI. hatte Ende August die Franzosen gemahnt, Menschen in ihrer „legitimen Unterschiedlichkeit“ anzunehmen. Dies war dort als Kritik an Frankreichs Umgang mit den Roma verstanden worden. Der Papst hatte die Maßnahmen indes nicht ausdrücklich erwähnt.