US-General Petraeus bestätigt: Taliban suchen Kontakt mit Karsais Regierung und der Nato. Neue Enthüllung über Gewalt von US-Soldaten.
Kabul. Neun Jahre nach dem Sturz der radikalislamischen Taliban gibt es erste Anzeichen für Versöhnungsgespräche zwischen den Islamisten und der afghanischen Regierung in Kabul. Nato-Kommandeur David Petraeus sagte der Nachrichtenagentur AFP, mehrere Taliban-Gruppen hätten bereits Kontakt zur Regierung und zu den Isaf-Truppen gesucht. Unterdessen wurde bei einem Selbstmordanschlag der Vize-Gouverneur der Provinz Ghasni getötet.
„Es gab bereits ungefähr 20 Angebote seitens kleiner Gruppen aus dem ganzen Land“, sagte Petraeus und bezog sich dabei auf ein von Präsident Hamid Karsai aufgelegtes Versöhnungsprogramm . Dieses sieht vor, gemäßigten Taliban im Gegenzug dafür, dass sie ihre Waffen niederlegen, zum Beispiel einen Job zu garantieren. Bei den nun aufgenommenen Kontakten über Diskussionen über eine Waffenniederlegung könne aber „noch nicht von Verhandlungen gesprochen“ werden, betonte Petraeus. Vielmehr handle es sich um „die allerersten Diskussionen“.
„Sie kommen zur Regierung und sie kommen auch zu uns“, sagte Petraeus mit Bezug auf die Nato-Truppen. Er hat das Kommando über mehr als 150.000 Isaf-Soldaten am Hindukusch. Zugleich sagte er, die Aussöhnung mit den Taliban sei Sache der afghanischen Regierung. „Präsident Karsai hat klare Linien dafür aufgestellt und wir unterstützen das.“ Die „New York Times“ hatte den Kommandeur zuvor mit den Worten zitiert, hochrangige Taliban-Führer hätten Kontakt mit den höchsten Kreisen der afghanischen Regierung aufgenommen.
Karsais Versöhnungsplan hatte auf der Afghanistan-Konferenz Mitte Juli in Kabul den Zuspruch der internationalen Gemeinschaft gefunden, die ihn finanzieren soll. Das Programm richtet sich an solche Taliban, die der Gewalt abschwören und an jene, die sich eher aus finanziellen statt aus ideologischen Gründen anschließen. Bedingung für eine Wiedereingliederung ist, dass sie keine Verbindung zu internationalen Terrornetzwerken haben und die afghanische Verfassung akzeptieren.
Karsai hatte Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar erst vor gut zwei Wochen erneut zu Friedensverhandlungen aufgerufen. Während seiner traditionellen Rede zum Ende des Ramadan forderte Karsai den Anführer der Islamisten auf, die Kämpfe zu beenden und an Friedensverhandlungen teilzunehmen. Die Taliban machten bisher immer den Abzug der ausländischen Truppen zur Vorbedingung für Gespräche.
Bei einem Selbstmordanschlag im Osten Afghanistans wurde der Vize-Gouverneur der Provinz Ghasni, Mohammed Kasim Allahjar getötet. Mit ihm starben nach Angaben der Polizei fünf weitere Menschen, darunter sein Sohn und sein Neffe.
Unterdessen hat ein wegen Mordes an afghanischen Zivilisten angeklagter US-Soldat seinen Vorgesetzten beschuldigt, dieser habe die Truppe zum Töten angestachelt. Ein „verrückter“ Unteroffizier habe die Opfer ausgewählt und seine Soldaten praktisch aufgefordert, sie umzubringen, sagte ein 22-jähriger Gefreiter in einem Verhör-Video, das US-Medien veröffentlichten .
„Wollt ihr den Typen abmurksen?“, habe der Vorgesetzte der Einheit zu den Soldaten gesagt, die in der Region Kandahar stationiert waren. Zugleich gab der beschuldigte Gefreite, der sich gemeinsam mit vier Kameraden bei Anhörungen vor einem Militärgericht verantworten muss, seine Beteiligung an den Grausamkeiten zu.
Der Fall hatte vor kurzem Entsetzten in USA ausgelöst: Mehrere amerikanische Soldaten sollen afghanische Zivilisten getötet und dann deren Körperteile als Trophäen mitgenommen haben – darunter Finger- und Beinknochen, einen Zahn und einen Schädel. US-Medien sprechen von den schlimmsten Enthüllungen im neunjährigen Afghanistankrieg.