Die Frauen machen einen Crash-Kurs zum Aufspüren von Waffen und Sprengstoff. Taliban kündigen in Moscheen eine blutige Parlamentswahl an.
Kundus/Kabul. Etwa 175 Wahllokale werden in der nordafghanischen Unruheprovinz Kundus für die Parlamentswahl an diesem Sonnabend öffnen. Die genaue Zahl steht nicht fest, denn Dutzende Wahlstationen dürften wegen der Gefahr von Taliban-Angriffen geschlossen bleiben . Die Orte, an denen Afghanen ihre Stimme abgeben können, drohen zur Zielscheibe der Aufständischen zu werden. Erstmals haben deutsche Polizeiausbilder in Kundus nun afghanische Wahlhelferinnen angelernt, die auch Frauen und Kinder vor den Wahllokalen auf Sprengstoff und Waffen durchsuchen sollen.
Die Sicherheit der Wahllokale sei eigentlich Aufgabe der afghanischen Polizei, sagt Polizeioberrat Sven Mewes, der das Deutsche Polizei Projekt Team (GPPT) in Kundus leitet. Allerdings gibt es nur wenige Polizistinnen – und dass Männer Frauen durchsuchen, ist im streng religiösen Afghanistan undenkbar. Daher habe der Gouverneur von Kundus das GPPT gebeten, für den Urnengang insgesamt 300 Wahlhelferinnen auszubilden, sagt Mewes.
Nur drei Stunden dauerte der Crash-Kurs, den die von den afghanischen Behörden ausgewählten Frauen im Ausbildungscamp neben dem Bundeswehr-Feldlager Kundus absolvierten. Die Zeit habe aber ausgereicht, sagt Mewes. „Wir haben festgestellt: Die Frauen sind äußerst motiviert und aufnahmebereit.“
Zunächst zeigte das GPPT den angehenden Wahlhelferinnen Bilder von bewaffneten Frauen und ein Video über einen Anschlag auf ein Wahllokal. „Wir wollen transparent machen, warum Personen durchsucht werden und auf die Gefahren eingehen“, sagt Mewes. Dann lernten sie verschiedene Durchsuchungstechniken, ehe sie in Rollenspielen die Sicherheitskontrollen gemeinsam mit den Ausbilderinnen nachstellten – und schließlich bei mit dem Ganzkörperschleier Burka bekleideten Frauen Sprengstoffattrappen und falsche Waffen aufspüren mussten.
Seit 2002 beteiligt sich Deutschland am Aufbau der afghanischen Polizei, derzeit sind rund 200 Polizeiausbilder aus Bund und unterschiedlichen Bundesländern am Hindukusch im Einsatz. Die deutschen Polizeitrainingszentren befinden sich in Masar-i-Scharif, Kundus und Faisabad im Norden des Landes, das Polizeiprojektbüro ist in Kabul.
Vor der Parlamentswahl sind in der östlichen Provinz Chost laut Polizei Flugblätter in Moscheen verteilt worden, die einen blutigen Wahltag ankündigten. Für die 249 Parlamentssitze bewerben sich rund 2500 Kandidaten, kaum jemand rechnet allerdings mit einer fairen und freien Abstimmung. „Die Einwohner von Chost sollten nicht zu den Wahllokalen gehen“, heißt es nach Angaben des örtlichen Polizeichefs Abdul Hakim Isaksai auf einem Flugblatt. „Wenn jemand hingeht, werden wir ihn bestrafen.“ In der Umgebung der Hauptstadt Kabul patrouillierten Sicherheitskräfte, um Aufständische an der Vorbereitung von Angriffen zu hindern. Jedes Auto auf den größeren Straßen wurde mit Spürhunden durchsucht.
In der Provinz Kunar im unruhigen Nordosten des Landes wurden Fahrzeuge angehalten und mit Burkas bekleidete Frauen befragt – in der Vergangenheit hatten sich mehrfach Aufständische unter dem den ganzen Körper verhüllenden Gewand versteckt und so unerkannt Kontrollstellen passiert. „Wir sprechen mit jedem, der eine Burka trägt, um sicherzustellen, dass es wirklich eine Frau ist“, sagte der Polizeichef von Kunar, Chalilullah Saiji.