Präsident Sarkozy schlug EU-Kommissarin Reding vor, die Roma in ihrer Heimat Luxemburg aufzunehmen. Deutschland hält sich zurück.
Paris/Brüssel. Die französische Regierung hat empört auf die Kritik der EU-Kommission an ihrer Abschiebepraxis reagiert. In den vergangenen Wochen hatte Paris Tausende Roma nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben . Präsident Nicolas Sarkozy ließ am Mittwoch kritische Kommentare der zuständigen EU-Justizkommissarin Viviane Reding als inakzeptabel bezeichnen. Redings Heimatland Luxemburg könne die Roma gerne aufnehmen, soll er vor Parteifreunden gesagt haben. Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche sagte zu Reding: „Diese Art von Entgleisung ist ungebührend. (...) So behandelt man keinen großen Staat!“
Reding hatte den Umgang Frankreichs mit den Roma am Vortag mit Vorgehensweisen im Dritten Reich in Verbindung gebracht und juristische Schritte angekündigt. „Ich habe nicht geglaubt, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal Zeuge einer solchen Situation wird“, sagte die Kommissarin. Unterstützung in der Sache bekam Reding von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. „Die Position der Kommission ist klar: Das Europarecht muss respektiert werden. Frau Reding hat mit der Unterstützung der ganzen Kommission und mit meiner vollen Rückendeckung gehandelt“, sagte der 54-Jährige. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn kommentierte: „Wir zeigen damit Bilder, die eigentlich nicht zu dem Europa passen, wie wir es darstellen mit Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit.“
Die Bundesregierung distanzierte sich dagegen von den Aussagen der EU-Justizkommissarin. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, es sei das gute Recht der EU-Kommission, die Einhaltung der europäischen Grundrechte zu überprüfen, und es sei das gute Recht der Kommissarin, dazu Stellung zu nehmen. Er betonte aber auch: „Sicherlich sind solche Stellungnahmen manchmal noch nützlicher, wenn sie im Ton gemäßigter ausfallen.“
Die EU prüft derzeit auf Anordnung Redings, ob sie gegen Frankreich wegen des Umgangs mit Roma Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags einleitet. Seit Anfang des Jahres hat Paris mehr als 8000 Rumänen und Bulgaren ohne Bleiberecht in ihre Heimatländer zurückgebracht. Diplomaten erwarten, dass der Streit darüber auch den EU-Sondergipfel an diesem Donnerstag in Brüssel überschatten könnte.
Frankreich rechtfertigt den Rücktransport der Roma mit einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2004. Sie sieht vor, dass Unionsbürger nur dann das Recht auf einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat haben, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Zudem müssen sie einen umfassenden Krankenversicherungsschutz nachweisen. Diese Voraussetzungen sind für die meisten nichtfranzösischen Roma nicht zu erfüllen. Angreifbar machte sich die französische Regierung allerdings mit einem Rundschreiben, in dem die Regierung den Präfekten die Auflösung illegaler Lager – „in erster Linie die der Roma“ – vorschrieb. Dieser Zusatz verstößt nach Auffassung von Juristen gegen das EU-Prinzip der Nichtdiskriminierung, das allen EU-Bürgern eine Gleichbehandlung ohne Unterscheidung nach Rasse oder ethnischer Herkunft zusichert. Mittlerweile wurde das Rundschreiben durch ein neues ersetzt, das auf kritische Passagen verzichtet.