Margot Käßmann fragt nach den Grenzen der Freiheit. Die Koranverbrennung ist legal, wurde dem Pastor aber verboten: aus Feuerschutzgründen.

Hannover/Washington/Kabul. Die geplante Koran-Verbrennung durch eine kleine Gruppe radikaler Christen in den USA ist nach Beobachtung von Margot Käßmann (52) in Amerika das Haupttagesthema. Die Frage der religiösen Toleranz werde auf allen Nachrichtensendern diskutiert, schreibt die ehemalige hannoversche Landesbischöfin in ihrem Blog für das Internetportal „evangelisch.de“. Fast alle öffentlichen Personen und Kirchenleitungen verurteilten das Vorhaben. Auch eine Gegendemonstration sei geplant.

„Vernünftige Reaktionen, die um Schadensbegrenzung bemüht sind, also allerorten“, schreibt Käßmann, die zurzeit für vier Monate an der Emory Universität in Atlanta forscht und Vorträge hält. Käßmann fragt: „Wie viel Religion verträgt die Politik? Wie viel Nähe zum Staat die Kirche? Wie viel religiöse Toleranz ist nötig, und wo sind Grenzen zu ziehen, um der Freiheit willen?“ Das „Land der Freiheit“ ringe um die Grenzen von Freiheit mit Blick auf die Religion und das Verhältnis von Staat und Religion, schreibt die Theologin und fügt hinzu: „Aber das sind auch für uns in Deutschland spannende Fragen.“

Käßmann, die elf Jahre als Bischöfin an der Spitze der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers stand, hatte im Februar die Konsequenzen aus einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss gezogen und alle kirchlichen Leitungsämter niedergelegt. Im Januar 2011 übernimmt sie eine Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum.

Auch US-Präsident Barack Obama hat die Koran-Verbrennung scharf verurteilt. „Das ist eine destruktive Geste“, die „den Werten Amerikas völlig widerspricht“, sagte Obama dem Fernsehsender ABC. Obama zeigte sich besorgt um die Sicherheit der US-Soldaten: „Als Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte möchte ich (dem Pastor Terry Jones) sagen, dass sein Vorhaben unsere Männer und Frauen in Uniform im Irak und in Afghanistan wirklich gefährdet“, sagte Obama. „Das ist ein Glücksfall für al-Qaida, um Leute anzuwerben.“

Die Koranverbrennung fällt unter den Schutz der Meinungsfreiheit

Die von einem anti-islamischen Pastor im US-Staat Florida für diesen Sonnabend geplante Koranverbrennung fällt nach Angaben von Rechtsexperten unter den Schutz der Meinungsfreiheit. Ausschlaggebend sei, ob Pastor Terry Jones von der Glaubensgemeinschaft Dove World Outreach Center mit seiner Aktion eine Meinung ausdrücken wolle, oder ob er damit beabsichtige, Menschen zur Gewalt anzustiften, erklärt Juraprofessorin Ruthann Robson von der Universität von West Virginia.

Im ersten Fall stehe Jones mit seinem Vorhaben, Koran-Schriften am Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 zu verbrennen, unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Sie ist im ersten Verfassungszusatz First Amendment) der US-Verfassung garantiert. Er wolle mit der Aktion auf dramatische Weise seinem Glauben Nachdruck verleihen, dass der Koran böse sei, weil dieser Gewalt und Radikalismus begünstige, sagt Jones, dessen Kirchengemeinde in der Stadt Gainesville etwa 50 Mitglieder hat. Der Pastor hat angekündigt an, trotz Kritik an seinem Vorhaben festhalten zu wollen. Neben dem Weißen Haus haben unter anderem der Vatikan, muslimische Gruppen und der Nato-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus, die geplante Aktion verurteilt.

Die Aktion wurde aus Feuerschutzgründen verboten

Doch auch wenn die Koranverbrennung von vielen Menschen als beleidigend empfunden würde, ist die Aktion nach amerikanischem Recht voraussichtlich nicht illegal. Jegliches Gesetz, das Jones von seinem Vorhaben abhalten sollte, würde vom Obersten Gerichtshof der USA als verfassungswidrig erklärt, wie der Juraprofessor Steven Schwinn von der Universität von Chicago sagt.

Im Jahre 1989 wurden Gesetze in zahlreichen US-Staaten, die die Schändung der US-Flagge verbieten, außer Kraft gesetzt. Hintergrund war ein Protest vor dem Parteitag der Republikaner in Dallas, bei dem amerikanische Flaggen verbrannt wurden.

Falls Pastor Jones sein Vorhaben in die Tat umsetzt, könnte er dennoch Ärger mit den örtlichen Behörden bekommen, die ihm das Entfachen eines Feuers im Freien untersagt haben. Sollte Jones die angekündigte Koranverbrennung umsetzen, wird er nach Behördenangaben wahrscheinlich eine Gerichtsvorladung wegen des Fehlens einer Zulassung bekommen.

Die geplante Koranverbrennung hilft nach Ansicht des deutschen Afghanistan-Experten Thomas Ruttig den Taliban. „Der Taliban-Propaganda dient das auf alle Fälle“, sagte der Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN) der Nachrichtenagentur dpa. Sollte die radikale Kirchengemeinde in Florida ihre Drohung wahr machen, „werden islamistische Kreise das als Argument gegen das gesamte internationale Engagement in Afghanistan nutzen“.

Tony Blair empfiehlt: „Lest den Koran, statt ihn zu verbrennen"

Ruttig sagte: „Diese Aktion gibt den Taliban ein weiteres Argument dafür, dass es sich bei dem Konflikt in Afghanistan um einen Kampf zwischen Islam und Christentum handelt.“ Das sei zwar falsch, die „durchgeknallte Randgruppe“, die den Koran verbrennen wolle, liefere den Aufständischen damit aber Munition für ihre These. Die Taliban-Propaganda werde die kleine Kirchengemeinde als Gruppe darstellen, die stellvertretend für alle „christlichen Ungläubigen“ stehe.

Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair hat zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Islam aufgerufen. Die geplante Koranverbrennung in Florida sei „respektlos, das ist böse und wird weitgehend von den Völkern, religiös oder nicht, verurteilt werden“, erklärte der Gesandte des Nahost-Quartetts. „Statt den Koran zu verbrennen, ermutige ich dazu, ihn lieber zu lesen“, fügte Blair hinzu. „Als Christ“ schließe er sich der Aufforderung an Jones an, die Koranverbrennung abzusagen.