Bronislaw Komorowski setzt auf einen proeuropäischen Kurs und verspricht der Regierung unter Premier Tusk Kooperation statt Konfrontation.
Warschau. Es war im fernen Nordosten Polens, noch hinter Masuren. Dort gingen Bronislaw Komorowski und seine Frau Anna am Sonntag zum Wahllokal. Die Dorfschule war mit Fahnen geschmückt, vor dem Gebäude sammelte ein Mädchen Spenden für die Opfer des jüngsten Hochwassers. Ein paar Kajakfahrer in Rettungswesten, ein paar Musikanten in Tracht, ein paar schaulustige Touristen. Der Kandidat verriet, wie er den Sonnabend verbracht hatte: Ausschlafen, Angeln, in der Hängematte liegen. Danach Freunde getroffen. Zum Abschied stellte sich der Mann mit dem Schnurrbart noch zu den Kajakfahrern, für ein Gruppenfoto, setzte sich, bereits von Leibwächtern begleitet, in einen Range Rover und verschwand.
"Bronek" Komorowski, der Mann von nebenan. Hier, im wilden Osten Polens, im Dorf Buda Ruska (frei übersetzt: Russenhütte), hat er sein von wildem Wein umranktes, noch vor dem Krieg aus Holz errichtetes Sommerhaus. Wer hier auf der Czarna Hancza paddelt, dem wachsen neue Kräfte zu. Einer der Wasserwanderer war hier einst der junge Karol Wojtyla; heute sind es die fünf Kinder der Komorowskis. Der Familienvater wird wohl nicht so bald die Zeit haben, hier wieder zu angeln oder zu grillen.
Es war eine anstrengende Zeit, die Monate seit dem Flugzeugabsturz in Russland am 10. April, der Polen verändert hat. Schon zuvor hatte Komorowski - das gab es zum ersten Mal in Polen - einen Vorwahlkampf führen müssen. Die große Regierungspartei, die liberalkonservative Bürgerplattform (PO), hatte ihn und den Außenminister Radoslaw Sikorski als zwei denkbare Präsidentschaftskandidaten präsentiert und das Parteivolk darüber abstimmen lassen. Der bodenständige, in der Partei verwurzelte Komorowski siegte souverän über den weltgewandten Minister. Damit war Komorowski, seit 2007 Parlamentspräsident, auch Kandidat für das höchste Staatsamt. Dann stürzte das Flugzeug ab. Gemäß der Verfassung musste er damit über Nacht die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts übernehmen.
Schon in der Unglücksnacht des 10. April gab sich Komorowski bürgernah. Spontan reihte er sich unter die Trauernden am Warschauer Pilsudski-Platz ein - gemeinsam mit Ehefrau Anna. "Bronek" spürte, dass er jetzt reden müsse, und so improvisierte er ohne Mikrofon ein paar Sätze. Er ermunterte die jungen Menschen um sich herum, diesen krisenhaften Augenblick "tief zu erleben".
An diesem Tag hat sie begonnen, die Wandlung Polens, die Veränderung der politischen Kultur im Zeichen von Pietät und Besinnung, die, so Komorowski, zu einem "Wahlkampf der Eintracht" führte. Nach der schwierigen Zeit unter Präsident Lech Kaczynski, der Gesetzesvorhaben mit unzähligen Vetos stoppte, reagierte die Regierung mit Erleichterung auf den Sieg Komorowskis über Kaczynski. Jetzt stehen die Zeichen auf Kooperation statt Konfrontation. Komorowski selbst hatte kurz vor der Wahl der Zeitung "Fakt" gesagt, seine Präsidentschaft werde "stark (sein), aber fähig zur Zusammenarbeit mit Regierung und Parlament".
Komorowski will die gültige strenge Abtreibungsregelung (keine soziale Indikation) erhalten, um die Emotionen bei diesem Thema nicht ein weiteres Mal zum Kochen bringen. Er will auch nicht, dass kraft Gesetz in allen Schulen Kreuze aufgehängt werden. Andererseits befürwortet er - gegen die katholische Kirche und Kaczynski - die künstliche Befruchtung.
Angesichts der Mäßigung Kaczynskis in Folge des Flugzeugunglücks war es ein Personenwahlkampf, den Polen erlebte. Hier hob Komorowski vor allem die Tradition seiner adeligen Familie hervor (ein Vorfahr fiel 1399 im Kampf gegen die Tataren). Auch er selbst vermittelt das Gefühl, ein verantwortungsbewusster, im Leben erprobter, optimistischer und zupackender Familienvater zu sein.
Komorowski wurde 1952 als Sohn ostpolnischer Vertriebener in Schlesien geboren. Er ist studierter Historiker und schlug sich vor 1989 als Journalist und als Lehrer durch. Die Verhandlungen mit den Kommunisten am runden Tisch lehnte er zunächst als Weg zu einem faulen Kompromiss ab. Später suchte er neue Rollen: 1990 wurde er Vize-Verteidigungsminister, zehn Jahre später leitete er das Ressort. Verteidigungs- und Außenpolitik sowie die Förderung der polnischen Minderheiten im Ausland waren die Themen des Politikers Komorowski. Von jetzt an muss er sich um alles kümmern.